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Gabriele

Posted on 24.9.2020

Erinnerungen an die Anstalt Meyerhoff blickt in seinem autobiografisch angehauchten Roman auf eine nicht ganz alltäglich Kindheit zurück. Aufgewachsen auf dem Gelände einer Anstalt für geistig und körperlich behinderte Kinder, die sein Vater leitete, erinnert er sich an die Zeit mit zwei größeren Brüdern. Kurzweilig erzählt er Familiengeschichten und stellt sich dabei selbst in nicht gerade das beste Licht. Als Jüngster hatte er einiges einzustecken, was ihn oft sehr wütend machte. Da half nur noch, den „spindeldürren Hochdruckzappler“ auf eine schleudernde Waschmaschine zu setzten, damit er wieder zur Ruhe kam. Geburtstagskaffeekränzchen mit Patienten liebte er. Schwache waren seine Freunde, mit deren Eigenheiten konnte er gut umgehen. Die Schule sagte ihm weniger zu: „Mein Kopf war eine unwirtliche Wüste, in der Zahlen und Schrift orientierungslos umherirrten, spurlos verschollen gingen und nie mehr gesehen wurden.“ (Seite 216) Je mehr Seiten ich in dem Buch umblätterte, desto besser gefiel es mir. Der Autor schrieb sich regelrecht in Hochstimmung. Er beobachtet genau und berichtet sehr eindrücklich von der praktisch begabten Mutter, die hochtrabende Ideen des Vaters in die Tat umsetzte. Auch wenn er Extravaganzen nicht verheimlicht, so spricht aus seinen Sätzen viel Liebe für die Familienmitglieder. Dies ist der zweite Roman aus der Reihe „Alle Toten fliegen hoch“, in der er unter anderem den viel zu frühen Unfalltod seines Bruders verarbeitet. Zwischen 2007 und 2009 brachte der Schauspieler unter dem gleichen Titel ein Projekt auf die Bühne des Wiener Burgtheaters, das viele Zuschauer anzog. Seine Romane über seine Familiengeschichte (inzwischen sind es fünf) entstanden erst ab 2011. Bewunderung entlockten mir vor allem die Passagen, in denen er sich selbst auf den Arm nahm. Erstaunt haben mich die Offenheit, mit der er von den Schwächen seiner Familienmitglieder berichtete. Das Buch enthält auch sehr traurige Abschnitte, die der Autor aber nicht zu sehr auswalzt. Alles in allem habe ich das Buch sehr gern gelesen, musste mir aber Zeit lassen dabei.

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