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ankasgeblubber

Posted on 22.9.2020

Mit "In deinen Augen" lässt Maggie Stiefvater das Licht nach dem Sommer ruhen und beendet ihre erfolgreiche "Wölfe von Mercy Falls"-Trilogie. Doch bevor Sams und Graces Geschichte ein Ende findet, erwartet sie noch ein Kampf auf Leben und Tod. Bevor ich etwas näher auf das Buch und die Geschehnisse rund um die Wölfe von Mercy Falls eingehe, möchte ich noch mal ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese Besprechung Spoiler enthält. "In deinen Augen" ist der dritte Band einer Trilogie, sodass es schwierig ist in die Geschichte hineinzufinden, wenn man Band 1 und 2 nicht gelesen hat! "Ruht das Licht" hat seine Leser mit einem emotionalen Cliffhanger zurück gelassen. Nachdem Sam seine Wolfsgestalt endgültig ablegen konnte, spielt das Schicksal der jungen Liebe einen Streich und lässt nun Grace auf vier Pfoten davon springen. So muss Sam den langen Winter allein verbringen. Voller Sehnsucht wartet er auf die warme Jahreszeit und somit auf die Rückkehr seiner Grace. Mich hat Sams "Vermissen" unheimlich berührt. Am liebsten hätte ich stellenweise ein paar Seiten vorgeblättert, damit er endlich wieder seine Grace im Arm halten kann. Sam ist ein unglaublich intensiver Charakter und unterscheidet sich sehr von den anderen männlichen Helden aus ähnlichen Romantasy-Geschichten. Er besitzt eine einzigartige, emotionale Tiefe, die mich bereits in "Ruht das Licht" immer wieder zu Tränen gerührt hat. Während andere Protagonisten (meist unglaublich gut aussehend und stark wie ein Bär) sofort handeln, zieht Sam sich lieber in seine eigene Gedankenwelt zurück und hängt seinen Tagträumen nach. Grace ist sein Gegenpol, wobei auch sie im Laufe von "Ruht das Licht" an Ruhe und Emotionalität zugenommen hat. Nun hat sie den Winter als Wolf verbracht und beginnt sich mit den ersten Sonnenstrahlen zurückzuverwandeln. Sie ist sensibler als manch anderer Wolf, hat Sam während der letzten Monate immer im Herzen bei sich getragen und seine Augen vor sich gesehen. Die Rückkehr zum Menschen ist schmerzhaft und hält anfangs nur wenige Minuten oder Stunden an. Kaum hat Grace Sam über ihre Verwandlung informiert, findet ihr Freund bei seiner Ankunft nur noch ihre Klamotten vor. Diese Momente gespickt mit Verzweiflung, Schmerz und nackten Gefühlen, haben mich so mitgerissen und so gefesselt, dass ich einen dicken Kloß im Hals hatte und verstohlen meine Tränen wegwischen musste. Obwohl der Sommer nach Mercy Falls zurückkehrt, scheint ein beständiger dunkler Schleier über der Geschichte zu hängen, der nur stellenweise die Sonne durchlässt. Amüsante Szenen, wie z.B. die Waschbärjagd, lassen die Bedrohung kurzzeitig hinter ein paar Wölkchen verblassen, aber nie ganz verschwinden. Die Bedrohung ist noch größer und ein guter Ausgang aussichtsloser als je zuvor. Nachdem in den Wäldern von Mercy Falls ein totes Mädchen aufgefunden wurde, beschließt die Bevölkerung die Wölfe mithilfe einer Treibjagd auszurotten. Sam, Grace, Cole und Isabel bleibt nur wenig Zeit, um einen Plan zu schmieden. Es scheint unmöglich, das Wolfsrudel zu retten... So ruhig Maggie Stiefvater diese Geschichte beginnen lässt, desto dramatischer wird es ab der Mitte des Buches. Immer wieder legt sie ihren jungen Protagonisten Steine in den Weg. Sie konfrontiert sie mit ihrer Vergangenheit, lässt sie an sich und ihren geliebten Mitmenschen zweifeln. Wie bereits in "Ruht das Licht" werden die Geschehnisse aus vier verschiedenen Perspektiven erlebt und erzählt. Neben Grace und Sam spielen auch Cole und Isabel wieder entscheidene Rollen. Ich liebe diese zwei kantigen Charaktere einfach! Sie sind der Sprudel im Mineralwasser und könnten authentischer nicht sein. Sie hassen und sie lieben sich - zwei Dickköpfe, die wieder für jede Menge Knistern in der Luft und explosionsartige Gefühlsausbrüche sorgen. Beide haben so viel Persönlichkeit und wurden für mich so nahbar, dass ich am dramatischen Ende Sturzbäche von Tränen geheult habe. Dieses Buch hat wieder viele Highlights, sei es in der Sprache oder in der Handlung. Ganz besonders gelungen fand ich die interessanten Einblicke, die uns Maggie Stiefvater dieses Mal in das Leben als Wolf gewährt. Das erste Mal erleben wir einige kurze Sequenzen aus den Augen eines Wolfes, der sein menschliches Leben ablegt und ganz auf seine Instinkte vertraut. Nur noch Fetzen aus seinen menschlichen Gedanken bleiben zurück bis sie ganz verschwinden. Das mit gemischten Gefühlen erwartete Finale hat mich definitiv berührt und ich bin im Großen und Ganzen zufrieden mit dem schlussendlichen Ausgang der Geschichte. Maggie Stiefvater hat ein absolut passendes Ende für diese Trilogie gewählt, das viel Raum für persönliche Gedanken, Interpretationen, Vorstellungen und Wünsche lässt. Diese Trilogie ist ein außergewöhnliches, intensives, höchst emotionales und berührendes Leseerlebnis. Sie hat definitiv ihre Spuren in meinem Herzen hinterlassen. Nicht nur optisch ist sie ein absolutes Highlight. Die komplette Aufmachung, die einzelnen Titel, die sich zu einem Ganzen zusammenfügen, die bildreiche, poetische Sprache, die einen die Gefühle wie durch eine Injektion mitfühlen lässt, die textliche Gestaltung, die authentischen und tiefen Charaktere, die komplexe Handlung, die mal laut aber meistens eher leise über die Seiten schleicht... auch jetzt habe ich wieder einen dicken Kloß im Hals und es fällt mir schwer mich, anhand meiner Rezi, endgültig von dieser Trilogie zu verabschieden...

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