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ankasgeblubber

Posted on 22.9.2020

Obwohl mich bisher kein Roman aus dem Genre "New Adult" zu 100% überzeugen konnte, bin ich doch irgendwie fasziniert von dieser Art von Geschichten. Das aktuell sehr gehypte Genre bedient sich - sehr pauschalisiert gesprochen - zweier junger Menschen Anfang 20, die unterschiedlicher nicht sein können (gern gesehen sind hier der Bad-Guy und die schüchterne, unerfahrene junge Frau) inmitten von Liebe, Chaos, und Problemen, und meist mit einer traumatischen Vergangenheit, die es im Laufe des Plots zu erkennen und zu bewältigen gilt. Gewürzt werden die Geschichten mit einem frechen Spritzer Sex und Erotik, der für einen Erotikroman zu gering und für einen All Age Roman aber oft schon zu ausufernd ist. Zum Schluss wartet ein meist ziemlich kitschiges Ende auf die Leser(innen). Mit einer nicht ganz so großen Erwartungshaltung schlug ich die erste Seite von "If you stay" auf und musste mich erstmal an die Haptik des Taschenbuches gewöhnen. Das Cover ist leicht gummiert und fasst sich "irgendwie komisch", fast schon etwas klebrig an. Wer schon mal "Shades of Grey" in der Hand gehalten hat, weiß wovon ich spreche. Auf der einen Seite ein interessantes und außergewöhnliches "Tasterlebnis", jedoch verleihen die Fingerabdrücke, die ich wohl oder übel auf dem schwarzen Cover hinterlassen musste und die sich nicht mehr entfernen lassen, dem Buch einen verruchten, zerlesenen und irgendwie sehr schmuddeligen Touch. Das erste Kapitel beginnt direkt mit einem Blow Job. Es gibt kein langsames Vorgeplänkel, nein, wir als Leserinnen sind unmittelbar mittendrin statt nur dabei. So lernen wir Bad-Guy Pax (24) kennen, von dem wir uns schon fast hätten wieder verabschieden müssen, denn nachdem er Drogenjunkie-Girl Jill mit einer Line und einem Zwanziger abgespeist hat, beamt er sich mithilfe seines besten Freundes Jack Daniels und einem bunten Drogencocktail so dermaßen weg, dass er kurze Zeit später einen Herzstillstand erleidet. Zum Glück ist die anfangs etwas verträumt wirkende Künstlerin Mila (22) in der Gegend, um ihren geliebten See bei Vollmond zu fotografieren, um ihn später auf die Leinwand zu bringen. Sie findet Pax in seinem Erbrochenen liegend und eilt ihm zu Hilfe. Obwohl sich Pax in einem äußerst unansehnlichen Zustand befindet, entdeckt Mila auch seine sexy Seite, seinen knackigen Hintern und seine Muskeln. OK, das klingt nun etwas sehr lächerlich und unrealistisch, oder? Aber hey, wenn man sich auf solch eine Geschichte einlässt, muss man auch mit diesen Gedanken und Aussagen rechnen... also weiter im Text. Dank Milas schneller Hilfe überlebt Pax natürlich und es gibt ein erstes bzw. zweites Zusammentreffen. Mila will nach Pax sehen, besucht ihn im Krankenhaus, ist sofort wieder angetan von dem jungen Mann, dem sie das Leben gerettet hat und auch Pax findet Gefallen an seiner mit absolut traumhaften Rundungen gesegneten Retterin. Seufz. Ich wollte mich auf dieses Buch einlassen... ja... also ließ ich mich nun - trotz anfänglichem Augenrollen - endlich vollkommen in die Geschichte fallen... und wurde belohnt. Tatsächlich merkte ich bald, dass dieser Roman die ein oder andere Überraschung für mich bereithielt. Schon lang habe ich kein Buch mehr so häufig zur Seite gelegt wie dieses. Das lag aber nicht daran, dass der Plot so schlecht war oder gar die erotischen Szenen zu intensiv wurden - nein, ich musste mir einfach besondere Textstellen herausschreiben. So schmunzelte ich z.B. über Milas unglaublich bildhafte Aussage auf Seite 76 "Ich habe das Gefühl, als wäre mir gerade ein Güterzug in die Brust gedonnert und hätte mir die Luft genommen.", freute mich innerlich über Pax Wortspiel auf Seite 35 "Sie ist wie ein frischer Wind. Ich mag der große böse Wolf sein, aber selbst Wölfe müssen atmen." und ließ mir zwischendurch auch mal sehr poetische und melancholische Passagen auf der Zunge zergehen: "Ich mag die Nacht. Mag alles an ihr. Wie die Dunkelheit Dinge verbirgt, die ich möglicherweise gar nicht sehen will, und gleichzeitig Dinge zum Vorschein bringt, die ich bei Tageslicht gar nicht bemerken würde." Mila auf Seite 14 Die Sprache ist ansonsten recht leicht gehalten, wirkt sehr authentisch, kann aber immer wieder mit vielen kleinen Highlights überraschen. Die aus Kansas, USA stammende Autorin Courtney Cole schenkt ihren zwei Protagonisten keine leichte Vergangenheit. Mila hat ihre Eltern bei einem Autounfall verloren und als einzige Bezugsperson nur noch ihre ältere Schwester Madison. Sie hält sich größenteils von Männern fern und beginnt erst im Laufe der Geschichte zu begreifen, was sie all die Jahre belastet hat. Pax' Begreifen setzt deutlich später ein, denn er hat ein traumatisches Erlebnis aus seiner Kindheit komplett verdrängt, welches ihn nun jedoch wieder einzuholen scheint. Beide Figuren finden nicht nur zueinander, sondern auch zu sich selbst. Ich habe Mila und Pax gerne auf ihrem steinigen Weg begleitet und konnte den Großteil ihrer Handlungen nachvollziehen, trotzdem fiel es mir schwer, die beiden näher an mich heranzulassen oder sie gar ins Herz zu schließen. Die Emotionen wurden zwar glaubwürdig dargestellt, kamen bei mir aber nicht an. Da sich die Autorin voll und ganz auf Mila und Pax konzentriert, tauchen nicht viele Nebencharaktere auf und wenn, dann bleiben sie sehr blass. Freunde existieren auf beiden Seiten z.B. keine, was mich doch etwas skeptisch macht. Was mir wiederum sehr gut gefallen hat, war die Integration von Pax traumatischer Vergangenheit. Natürlich fragte ich mich beim Lesen, warum ist Pax so, wie er eben ist. Was hat er erlebt, dass er so wenig Gefallen an sich und seinem Leben findet? Wieso beamt er sich so häufig bis zur Besinnungslosigkeit weg, lässt sich von seiner geliebten Dunkelheit einlullen oder sucht Ablenkung bei drogensüchtigen "Barschlampen", die für eine Line Koks alles tun würden? Der Schlüssel liegt natürlich in seiner Vergangenheit und Mila ist quasi sein SchlüsselREIZ. Wie bei anderen genre-gleichen Titeln zuvor, hatte ich die Befürchtung, dass dieses Thema entweder zu oberflächlich oder zu unglaubwürdig dargestellt wird - doch ich konnte erleichtert ausatmen. Auch das übertriebene Drama blieb aus. Klar gibt es auch bei dieser Liebesgeschichte einen Bruch, der für mich aber nachvollziehbar war. Das Ende, ja, das Ende. Hier spreche ich einfach mal eine Kitsch-Warnung aus, aber ich denke, dass ich damit nicht zu viel verrate. So ist eben das typische Grundgerüst eines New Adult Romanes und genau dieses erwarten wir als Leserinnen auch, oder? Kerzenschein, schmachten und "hach ist das schön"-Seufzer sind hier definitiv angebracht. Wer sich auf diesen New Adult Roman einlässt, der weiß eigentlich, was auf ihn bzw. sie zukommt. Mir hat dieser literarische Ausflug sehr gut gefallen und ich bin auch der Meinung, dass sich "If you stay" von anderen genre-gleichen Titeln aufgrund der kleinen sprachlichen Schmankerl und der glaubwürdigen Hintergrundstory abheben kann. Die Autorin weicht zu keiner Zeit vom Schema F ab, beglückt ihre Leserinnen mit dem, was sie erwarten und versüßt so manche Seiten mit prickelnden Szenen, die weder zu lasch noch zu intensiv beschrieben werden (und in denen Verhütung groß geschrieben wird, danke!). Leichte Unterhaltung, die man vielleicht mit einem kleinen Augenzwinkern lesen muss, die aber durchaus begeistern und mitreißen kann.

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