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Carsten Schmitt

Posted on 17.9.2020

Die junge Lina hat keinen guten Tag. Allein mit ihrer Mutter lebend, bessert sie ihr karges Taschengeld mit einem Job im Kino auf, denn das Budget der kleinen Familie ist nicht gerade üppig. Eines Nachts, auf dem Nachhauseweg von ihrer Arbeit, versagt noch dazu ihr altersschwaches Auto mitten im Wald den Dienst. Weil auch ihr Handy streikt, beschließt sie, den Heimweg zu Fuß fortzusetzen und stößt auf einen Laden am Straßenrand, der erst kürzlich eröffnet zu haben scheint. Ein Laden, der nur nachts geöffnet hat, und gefüllt ist mit wundersamen Dingen, wunderlichem Personal und kauzigen Kunden. Von Telefon, Computern oder Internet ist dagegen keine Spur. So beginnt Linas Geschichte, denn die nächtliche Begegnung bleibt nicht ohne Folgen. Bald darauf hat sie ihre erste Erfahrung mit etwas, das man nicht anders als Magie beschreiben kann und so kehrt sie zu dem kuriosen Laden zurück, um herauszufinden, was es damit auf sich hat. Was sie dort findet, ist der vermutlich beste Ferienjob der Welt, selbst wenn sie nicht alles versteht, was im Mitternachtsladen vor sich geht. Was sind das für kuriosen Dinge, die in den Regalen auf Käufer warten, und warum muss sie das Geschäft unbedingt vor Mitternacht verlassen? Vor allem, was hat es mit Brendan auf sich, dem Sohn des Besitzers? Der geheimnisvollen jungen Mann, den Lina bald mehr als nur nett findet, enthüllt ihr, was es mit dem Mitternachtsladen auf sich hat. Es ist eine Zuflucht für Geschöpfe aus der Anderwelt, eine Anlaufstelle für Wesen aus der Welt der Magie und der Sagengestalten, die noch unter den Menschen leben. Mehr noch, es ist ein Versuch, die Verbindung zwischen den beiden Welten nicht abreißen zu lassen, sondern nach Jahrhunderten der Vernachlässigung wieder zu stärken. Eine Idee indes, die nicht nur Freunde hat, und so gerät Lina ungewollt mitten in die Auseinandersetzung zwischen denen, die die Versöhnung mit den Menschen anstreben und jenen, die jedwede Verbindung der beiden Sphären zu kappen suchen. Lina strandet in der Anderwelt, und muss sich zusammen mit Brendan und seinen Freunden auf die Suche nach einem Weg zurück in ihre eigene Welt machen und eine Möglichkeit finden, die Mächte zu stoppen, die die magischen Tore für immer schließen wollen. DER MITTERNACHTSLADEN ist ein zauberhaftes Buch für jüngere Leserinnen und Leser, aber auch für Erwachsene, die ihren Sinn für das Magische in der Welt nicht verloren haben. Tanja Karmann gelingt es, die Atmosphäre des titelgebenden Ladens so dicht und heimelig zu beschreiben, dass man am liebsten losfahren würde, um die Landstraße zu suchen, wo er liegen müsste, der Laden im Wald mit dem Tor zur anderen Welt. Lina ist eine sympathische Protagonistin, die weder das Bedürfnis zum Fremdschämen hervorruft wie es jugendlichen Helden oft tun, aber dennoch glaubhaft die schönen Seiten und die Sorgen einer jungen Frau an der Schwelle zum Erwachsenwerden vermittelt. Sie durchlebt die gegensätzlichen Gefühle der ersten Liebe, genauso wie die Trauer eines unwiederbringlichen Verlusts. Dabei ist Lina weder ein zartes Mädchen, das gerettet werden muss, noch eine abgeklärte Superheldin, die alle Unbilden, die das Leben und ihr Abenteuer für sie bereithalten, kaltblütig wegsteckt. Die Geschichte liest sich flott und das liegt nicht nur am unaufdringlichen und angenehm sauberen Stil der Autorin, sondern der Balance aus atmosphärischen Beschreibungen und rasanter aber nicht übertriebener Action. So werden sowohl die Leserinnen und Leser befriedigt, die die Neugier nach den Geheimnissen der von Tanja Karmann geschaffenen Welt in ihren Bann schlägt, wie diejenigen, die wissen wollen, wie es mit der spannenden Handlung weitergeht. Einzig das Ende kommt ein wenig rasch daher. Zwar findet der Roman einen befriedigenden Abschluss, aber man merkt doch, dass die Geschichte nicht so richtig zu Ende ist; eine Fortsetzung ist geplant. Ein Wort zur Aufmachung. Der Leipziger Fehu-Verlag ist noch nicht lange unter den Fantasy-Verlagen vertreten und das Programm, das sich vornehmlich an jüngere Leserinnen und Leser wendet, ist recht schmal. Da freut es um so mehr, dass Fehu verstanden hat, was ein gedrucktes Buch heutzutage braucht, um sich von der digitalen Konkurrenz abzugrenzen. DER MITTERNACHTSLADEN – VERBUNDENE WELTEN ist hochwertig und liebevoll gestaltet bis hin zum Cover, das im Dunkeln leuchtet. Diese Rezension erschien zuerst bei NAUTILUS - Fantasymagazin

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