stefanie aus frei
„Hier regierten Dreck, Verzweiflung und Hunger.“ Eine Frau sitzt gefesselt auf einem Küchenboden. Es ist kalt, es ist nichts zum Essen da – und dann der Gestank. Das Blut. „Hier regierten Dreck, Verzweiflung und Hunger.“ S. 10 Das ist wahrlich keine gute Situation – aber ein perfekter Ausgangspunkt für einen spannenden Thriller. Hätte die 23jährige Jule, Studentin in München, doch bloß auf ihre Mutter in der fernen Heimat Münster gehört. Doch da die Mutter durchaus große Teile ihres Lebens eher auf Jule ausgerichtet hatte, warf sie ihr lieber vor, zu sehr „Glucke“ zu sein. Doch jetzt ist die Mutter diejenige, auf die sie zählt. Ulrike Ziegler sucht in München nach ihrer Tochter. Sie weiß, dass diese nicht so einfach verschwunden wäre – und auch bei ihrem Job ist sie so lange nicht mehr aufgetaucht, dass sie entlassen wurde. Da gibt es ihren Freund Tim. Und ihre Freundin Lena. Und ihren Nachbarn Martin. Ulrike muss sich sehr bemühen, bei der Polizei einen Ansprechpartner zu finden, der ihr Glauben schenkt – zu oft hat sie sonst ihren Mann vorgeschickt. Sie ist keine Kämpferin – und auch eher kein Mensch, der mit Schwierigkeiten gut klar kommt. Zwischendurch erleben wir Jule in ihrer Angst. „Sie brach erneut in Tränen aus. Sollte das wirklich alles gewesen sein? Ihr ganzes Leben? Diese wenigen Jahre? Trauer überwältigte sie. Darum, vielleicht nie mehr die Chance zu bekommen, zu leben, zu lieben, etwas anders, besser zu machen, ihr Leben in die Hand zu nehmen.“ S. 145 Was wirklich geschickt ist: ab einem gewissen Zeitpunkt weiß der Leser mehr. Aber die Zusammenhänge fehlen und damit bleibt die Spannung, abgesehen von der inzwischen immer weiter um Unterstützung suchenden Mutter. Und dann dreht Autorin Martens noch damit auf, wozu Menschen fähig sein können, Täter wie Opfer, ungewöhnlich in der letzten Konsequenz. Ein harter Thriller, bei dem noch draufgelegt wird, wenn man schon denkt, dass kann nicht noch heftiger werden. Nicht geeignet für Leser, die empfindlich reagieren bei jeglicher Art von Sadismus. Engelsschmerz ist einzeln erhältlich oder als Bestandteil des ebooks „Midnight Thrill“ zusammen mit 2 weiteren Thrillern von anderen Autoren. Ich habe letzteres gelesen, rezensiere aus Fairness gegenüber den Autoren jedoch einzeln und verlinke unter „Midnight Thrill“. Wohltuend wieder bei Anna Martens (dieses ist meine „Folgetat“, nachdem ich von „Blinde Schatten“ doch sehr angetan war): die Protagonisten haben „normale“ Namen, ihrem Alter entsprechend. Jule Ziegler, Tim Kruse – die Mutter heißt Ulrike. Es gibt Handlungsorte – niemand wird im luftleeren Raum krimininell – aber nicht dieses „Regionalkrimi-Gehabe“. Und das Lektorat ist, was mir sonst gerne bei Selfpublishing missfällt, recht sorgfältig. Meine absoluten Favoriten sind in dem Buch allerdings Annette Kirchgessner und Dr. Carter!