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SternchenBlau

Posted on 14.9.2020

„Halt die Augen offen. Lass keine Gelegenheit ungenutzt. Süße Gnade haben wir hinter uns gelassen, also erweise dem Feind auch keine.“ Was für eine Welt! Was für Protagonistinnen! Was für Kämpfe! Nona und ihre Freundinnen sind erwachsen geworden. Und die Kämpfe sind noch größer geworden. Vorwarnung: Bei dieser Rezi gerate ich mal so richtig ins Schwärmen! Die zweite Hälfte von „Schattenkämpfer“ fühlt sich an wie ein Feuerwerk! Ein atemberaubender Showdown, bei dem die Spannung konsequent oben bleibt. Zu viel Action wird schnell langweilig, finde ich sonst meist. Bei Lawrence bin ich mittendrin, er lässt immer kurz Raum zum Luftholen, um dann weiter zu machen. Vermutlich funktioniert es so gut, weil ich mit Nona so stark mitgehen kann. Es ist die Macht der Verzweiflung und Liebe ihren Freundinnen und Mitschwestern, die sie kämpfen lässt. „Schattenkämpfer“ macht keine falsche Heldenverehrung auf. (Vielleicht, weil es ja auch Heldinnen sind?) „In dieser Nacht kehrte der Schlaf nicht mehr zurück. Alles spitzte sich zu. Der scheinbar ewige Frieden des Konvents würde nicht bestehen bleiben. Müßige Tage, Neckereien unter Freundinnen, Rivalitäten von Kindern, all das gerann zu Erinnerungen. Aus dem Osten kam eine schwarze Flut, und das Reich besaß in seiner Gesamtheit nicht die Kraft, sich ihr zu widersetzen.“ Der erste Band der Ahnen-Reihe war eine Offenbarung: So will ich Frauenfiguren in Fantasy lesen! (hier meine Rezi: https://by9nq.app.goo.gl/YcravjY6DVBcyApG7). Der zweite Band war schwächer (konnte mich aber immer noch begeistern, lest hier: https://by9nq.app.goo.gl/JWEP7pfBZsQVxaH97) und einige der Schwächen waren auch zu Beginn des dritten Bandes „Schattenkämpfer“ spürbar. Den Aufbau, dass hier Vergangenheit, in der das Ende von Band 2 weitergeführt wird, und die Gegenwart drei Jahre später parallel erzählt wird, fand ich nicht komplett gelungen. Ich wusste, was Lawrence damit wollte, aber manches habe ich deutlich früher gewusst und einem sehr emotionalen Moment nahm er so die Wirkung und eine Protagonistin kam daher zunächst sehr zu kurz. Und dennoch: Bereits bei den ersten Seiten von „Schattenkämpfer“ war ich begeistert, wieder in diese Welt zurückkehren zu können. Hier kann ich zwar in Kämpfen schwelgen, aber die Gewalt wird nie voyeuristisch! Und die Protagonist:innen werden nicht zu objektiviziert. Klar ist, sie leben ihre Sexualität aus, aber das bleibt weitgehend ihr Privatvergnügen und sie sind keine Projektionsfläche für den „male gaze“. Das ist gerade von einem Mann geschrieben wirklich eine Wohltat. „Die Annäherung an das Göttliche macht uns alle gleich. Wenn ich die Auserwählte bin, dann sind wir in unserem Innersten alle auserwählt.“ Der Umgang mit abgedroschenen „Tropes“ ist erneut gelungen, zuallererst der mit dem Klischee der Auserwählten, dem Lawrence hier eine wundervolle (Anti-)Variante hinzufügt. Das ist umso erstaunlicher, weil die Protagonistinnen immer mehr Superkräfte entwickeln konnten. Und dann liebe ich Lawrence poetische Sprache: „Der Graupian zwang die Luftmassen ebenso zum Aufstieg wie die Novizinnen, und das schien den Wind so sehr zu erzürnen, dass er jede Wärme, die er im Tal vielleicht noch gehabt hatte, abwarf wie eine Last.“ Mit nur wenigen Worten kann mich der Autor zutiefst berühren. „Nahebei krümmte sich eine Frau um die Wunde, die sie getötet hatte. Furchen im Dreck zeigten, wie weit sie sich geschleppt hatte, um zu ihrer Tochter zu gelangen, und doch war sie drei Meter entfernt gestorben, ohne ihr Kind ein letztes Mal berühren zu können.“ Alles in allem verzeihe ich dem Buch daher die kleinere Schwächen. Sogar, dass ich an einer Stelle dann gegen Schluss trotz Fadenwerk, Schiffsherz und Hunskaflinkheit den Zeitablauf dann irgendwann nicht mehr glauben konnte. Umso erstaunlicher, dass das für mich ansonsten immer hingehauen hat. Und dann bekommt eine tolle Nebenfigur noch eine Hammer-Auftritt. So schön! Diversity ist wieder klar vorhanden, die Basis wird allerdings schon im Eröffnungsband gelegt. Und falls Ihr denkt, dass Lawrence gegen Ende dann doch noch ein nerviges Gender-Klischee benutzen würde – er liefert dafür noch eine wunderschöne Überraschung. Versprochen! Die „süße Gnade“ ist die Quintessenz, in der sich alles zusammenfügt, was ich so gelungen finde. Aber lest selbst! Fazit Ich liebe Nona, ihre Freundinnen und die ganze Reihe. Trotz kleiner Schwächen ist die Ahnen-Trilogie definitiv nun einer meiner Lieblingsreihen. Weil die Königsmörder-Trilogie aber so lange auf sich warten lässt und die Frauen da eher im Hintergrund stehen, vermutlich sogar meine Lieblingsreihe! 4,5 von 5 Sternen!

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