wandanoir
Viel Effekthascherei. In Miroloi singt die namenlose Icherzählerin, ein sechzehnjähriges Mädchen, ihr eigenes Totenlied in mehreren Strophen, welche die Kapitel darstellen. Das ist Brauch auf der Insel, auf der sie lebt. Eine Insel, die viel Ähnlichkeit mit einer griechischen Insel hat. Im Totenlied besingt man das ganze Leben der verstorbenen Person. Aber für die Icherzählerin singt keiner, denn sie ist die Außenseiterin der Gesellschaft, ihr Sündenbock. Sie hat nicht einmal einen Namen. Karen Köhler beschreibt eine patriarchalische Gesellschaft, in der die Männer bevorzugt und die Frauen benachteiligt sind, die Machtspirale immer enger wird und diese Konstellation irgendwann einmal eskaliert. Ihre Erzählerin „singt“ in kindgerechter mit Neulogismen gespickter Sprache ihr Lied. Diese Sprache zieht den Leser in die Geschichte hinein, vermittelt Nähe und ermöglicht Identifizierung Aber warum? Das Ganze haben wir bei schon bei Magaret Atwood gelesen, um Längen besser. Wird die Geschichte der patriarchalischen Sektengesellschaft so viel weiterentwickelt, dass sie neu ist? Sie hat einen eigenen Touch, einen eigenen Zungenschlag, das kann man nicht leugnen. Aber sie ist dennoch nicht wirklich interessant. Der Durchgang durch die Jahreszeiten ist nett, ja, aber mehr nicht. Und dass Macht korrumpiert, das ist uralt. Die eskalierenden Ereignisse wirken recht effekthascherisch. Es reicht nicht. Es reicht nicht für einen wunderbaren Roman, der fesselt und gefällt. Das Thema ist nicht neu, die Idee, wenn nicht geklaut, so doch gekapert, die Verunglimpfung religiöser Gemeinschaften billig und viel zu einseitig, und viele direkt obszöne Szenen verleiden mir das Buch vollends. FAZIT: Mit Miroloi ist Karen Köhler w e i t unter der Latte ihres herausragenden Kurzgeschichtenbandes „Wir haben Raketen geangelt“geblieben. Mit viel Goodwill gibt es von mir noch drei Punkte. Die weitere literarische Entwicklung dieser, dennoch vielversprechenden Autorin zu verfolgen, wird nicht uninteressant sein Kategorie: Gute Unterhaltung Auf der Longlist des Deutschen Buchpreises, 2019 Verlag: Hanser, 2019