miss_pageturner
Als der erste Mortal Engines Band 2018 erschien, ist er irgendwie total an mir vorbeigegangen. Erst als schon Band drei oder so draußen war, rückte die Reihe in mein Blickfeld, ab da wollte ich sie aber unbedingt lesen und jetzt endlich kam ich dazu, mit dem ersten Band zu starten. Ein atemberaubendes Setting "Es war nur natürlich, dass Großstädte kleine Städte fraßen, dass Kleinstädte Dörfer verschlangen und sich Dörfer an statischen Siedlungen gütlich taten. Das war der Städtedarwinismus, und so lief es in der Welt seit Hunderten von Jahren, seit der große Ingenieur Nikolas Quirke London zur ersten Traktionsstadt umgebaut hatte." (Philip Reeves: Mortal Engines - Krieg der Städte, Fischer Verlag, S.17.) Das erste, was man als Leser bereits auf den ersten Seiten demonstriert bekommt und mich schwer begeistert hat, ist der faszinierende Weltentwurf. Wir befinden uns weit in der Zukunft (Min. im 36. Jh.). In einem sechsminütigen Krieg voller Hightech Waffen hat die Menschheit den Planeten verwüstet. Nun, Jahrhunderte später, sind die verbliebenen Städte mobil geworden um so viele Ressourcen, wie möglich zu ergattern. Auf imposanten Fuhrwerken rollen sie durch die Einöde und es gilt das Gesetz des Stärkeren, denn trifft eine Stadt auf eine kleinere Ortschaft, wird diese kurzerhand eingefangen, durch ein Tor ins Innere befördert und dort zerlegt. Die Großen, fressen die Kleinen, das ist der Städtedarwinismus. Diese mobilen Ortschaften, von der auf Ketten alles zermalmenden, festungsgleichen Metropole, bis hin zum rollenden Dorf auf vier Räder, beschreibt der Autor auf sehr anschauliche und eindrucksvolle Art. Es hat ein bisschen was von Steampunk und in meinem Kopf waren die Schauplätze alle sehr imposant, das hat richtig Spaß gemacht. Doch auch inhaltlich finde ich das Setting genial. Ressourcenmangel spielt in Reeves Welt eine zentrale Rolle und wer eins und eins zusammen zählen kann, der wird schnell bemerken, dass ein System, in dem immer nur gefressen wird, aber nie etwas nachproduziert wird, auf Dauer nicht funktionieren kann. Die Londoner haben dies indes noch nicht begriffen und so ist der Konflikt von eingefleischten Anhängern des Systems und jenen, die die Problematik erkannt haben, ein wichtiges Thema in diesem Buch, was, wie ich denke, auch in den Folgebänden noch mehr Bedeutung erhalten wird. Ich mochte diesen gesellschaftskritischen Ansatz sehr und bin auch begeistert von der Kreativität des Autors, was seien Welt angeht. Mehr Tiefe bei den Charakteren wäre schön gewesen. Bei alle Lob für die wirklich geniale Welt, gab es aber auch zwei Punkte, die man verbesser könnte. Das eine sind die Charaktere. Während mir Thomas sehr sympathisch war (Als Museologin, muss ich alle Charaktere mit Museumsbezug lieben xD) und ich auch ein ganz gutes Gefühl für seine Person udn seinen Charakter bekommen habe, blieb Hester für mich doch recht blass. Abgesehen von ihrer Rache scheint sie als Figur keine Substanz zu haben, ihre Persönlichkeit bleibt nichtssagend. Man kann nur hoffen, dass man da als Leser in den Folgebänden einen besseren Einblick in ihren Charakter bekommt. Mein zweiter Kritikpunkt bedingt sich zum Teil aus dem ersten und betrifft die Handlung. Nach einem unterhaltsamen, spannenden Start, hat sie in der Mitte einen Hänger. Eigentlich wäre dies die Stelle gewesen, an denen Charakterbeziehungen vertieft, Persönlichkeiten beleuchtet und Motive aufgedeckt worden wäre. Da dies nur mangelhaft erfolgte, erschließt sich für den Leser nicht bei jeder Szene der Sinn für die Handlung, was ein Gefühl des "Dahindümpelns" verursacht. Als die Handlung dann wieder Fahrt aufnimmt, ist sie an manchen Stellen etwas vorhersehbar, mit doch recht offensichtlichen Plottwists und Entscheidungen der Protagonisten. Immerhin, das Finale war wirklich spannend und der Schluss eine runde Sache, sodass man nicht mit einem fiesen Cliffhanger geärgert wird. Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass ich zwar deutliche Kritikpunkte habe, mir das Lesen aber trotzdem auch viel Spaß gemacht habe. Bei diesem Buch überwiegt der Unterhaltungsfaktor gegenüber der Tiefe, was ja aber vielleicht in den kommenden Bänden noch ausgebessert wird. Einige vergnügliche Lesestunden hatte ich mit Mortal Engines auf jeden Fall und manchmal ist gute, einfache Unterhaltung ja auch genau das, was man grade braucht. Fazit: Das Buch glänzt mit einem wirklich atemberaubenden, kreativen Weltentwurf und einer interessanten Geschichte. Eins, zwei kleinere Mängel im Spannungsbogen und Charaktertiefe sind zu verschmerzen, Mortal Engines macht trotzdem Spaß und ich werde mit Sicherheit auch den Folgeband lesen.