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papierfliegerin

Posted on 10.9.2020

» 4.5 von 5 Sternen « Schon der Einstieg ist wieder sehr interessant und ereignisreich. Wir treffen schon während den ersten Seiten auf den blinden Nathaniel, und lernen zeitgleich auch Silas, den Sohn des Opfers aus dem ersten Band kennen. Doch die Spannung lässt, ganz wie wir es von der Autorin bereits kennen, nicht lange auf sich warten. Sie nimmt gleich mehrere Fäden in die Hand und lässt so mehrere Erzähl-Stränge entstehen, die sich alle mit unterschiedlichen Begebenheiten befassen. Während Milla Nova erste Interviews mit scheinbar völlig verrückten „Spezialisten“ führt, geht bei der Polizei, besser gesagt bei Sandro Bandini ein Anruf bezüglich eines Leichenfunds ein. Beide gehen also sehr lange erst einmal ihren eigenen Weg, machen sich Gedanken, ermitteln, recherchieren und versuchen an immer mehr und mehr Informationen zu kommen um ans Ziel zu gelangen. Es ist kein Geheimnis, dass Journalisten und Polizisten nicht unbedingt häufig oder gern zusammenarbeiten und so entsteht eben eine gehörige Spannung innerhalb der Handlung. Fragen, die sich entweder Milla oder Sandro stellt, könnte der jeweils andere längst beantworten, doch da die beiden grundsätzlich nur im Notfall miteinander über ihre aktuellen Fälle sprechen; weiß man als Leser oft bereits mehr, als die Protagonisten selbst. Das Tempo innerhalb der Geschichte ist durchweg sehr zügig, teilweise richtig rasant und man bekommt zu keiner Sekunde den Eindruck, die Handlung würde auf der Stelle tappen. Im Gegenteil – ein Plot jagt den nächsten; man kann sich wunderbar Gedanken machen und selbst ermitteln und wird dank unzähliger Hinweise selbst immer wieder aufs Glatteis geführt. Jedes Mal, wenn man meint, etwas verstanden zu haben, verschieben sich die Puzzleteile wieder und schleudern einen an den Anfang zurück. Christine Brand beherrscht es meisterhaft, vielschichtige Ebenen zu schaffen und den Leser bei Laune zu halten. Die Ermittlungen der Polizei sind ebenso spannend wie die Wege, die eine Journalistin geht auf der Suche nach Antworten und beides ergänzt sich in diesem Krimi nahezu perfekt. Erst sehr spät zeigen sich erste Berührungspunkte und die Stränge laufen so langsam aber sicher zusammen. Das Ende rückt spürbar näher und damit auch das große, actiongeladene Finale. Die Ereignisse überschlagen sich noch einmal und alles, wirklich alles, was man zuvor für bare Münze gehalten hat, wird nochmal komplett umgekrempelt und eine Überraschung jagt die nächste. Mag sein, dass die ein oder andere Auflösung dabei vielleicht nicht ganz so unerwartet kam; doch die Darstellung eben jener überzeugt dann doch. Die Autorin hat wirklich alles aus der Geschichte herausgeholt. Außerdem hat sie sich ganz offensichtlich eingehend mit den verschiedenen Thematiken auseinander gesetzt, um solch fachliche Erklärungen liefern zu können, ohne dass man sich als Laie erschlagen gefühlt hätte. Für mich war die Handlung nochmal eine Spur stärker, als in Band 1 und das Tempo so wie die Spannung nochmal eine Portion ausgeprägter! Enorm gut gemacht und sehr überzeugend insziniert. Milla als Hauptfigur glänzt wieder durch ihre eigensinnigen, chaotischen und nicht immer ganz legalen Ermittlungsmethoden und bringt einen damit zum Teil zum Staunen, zum Teil zum Kopf schütteln und zum Teil zum Lachen. Die junge Frau ist einfach durch und durch sympathisch, engagiert und stets neugierig. Jedes Thema, dass sie anpackt, wird aufs gründlichste recherchiert, durchleuchtet und vollen allen Seiten betrachtet, ehe es ausgestrahlt wird. Sie ist Herzblut-Journalistin, aber gleichzeitig eben auch nur ein Mensch, dessen Gefühle manchmal mit ihm durchgehen. So spielt hier nämlich auch Milla’s Privatleben eine deutlich tragendere Rolle, als man im Vorfeld vielleicht vermutet. Trotzdem webt Christine Brand eben jene privaten Angelegenheiten 100% stimmig ins Geschehen ein, sodass weder das eine, noch das andere zu kurz kommt. So ist Milla also die perfekte Mischung aus wissbegieriger Reporterin, liebender Lebensgefährtin und guter Freundin. – was will man mehr? Außerdem bringt sie sich durch ihre chaotische Ader immer wieder in äußerst fragwürdige und skurrile Situationen, was der Handlung ebenfalls in die Karten spielt und das Tempo kontinierlich auf sehr hohem Niveau hält. Sandro Bandini weiß ebenfalls zu gefallen! In meiner Vorstellung war er, wie schon in Band 1, sehr attraktiv und charmismatisch, sehr ausgeglichen und ein durch und durch überzeugender Polizist. Deutliche Erfahrung in seinem Beruf und die nachvollziehbaren und logischen Gedankengänge seinerseits treiben das Geschehen voran und es kommt – zum Glück – nie zum Stillstand. Sandro macht einen absolut tollen Job, nicht nur bei der Polizei, sondern auch als Protagonist in diesem Roman. Er ist autoritär, gewissenhaft und auf ganzer Linie sympathisch. Er und Milla sind ein so unterschiedliches, aber doch harmonisches Paar und es macht nicht nur Spaß, sie bei ihren jeweiligen Arbeiten zu begleiten, sondern auch einen Blick in ihr privates Leben zu werfen. Denn auch da wird’s garantiert nie langweilig. Nathaniel hingegen blieb ein wenig auf der Strecke. Er spielt zwar wieder eine wichtige Rolle und ist unabdingbar für die Handlung, doch seine Auftritte sind eher rar gesät. Ich hätte mir durchaus gewünscht, dass er präsenter und im allgemeinen „näher“ beim Leser ist. Trotzdem gefiel er, jedes Mal wenn er auftauchte wieder sehr gut und war außergewöhnlich realistisch und detaillreich dargestellt. Christine Brand hat diesem blinden Mann eine Lebendigkeit eingehaucht, die begeistert und auch wenn er zu selten auf der Bildfläche auftauchte und zu schnell wieder davon verschwand, gab es doch einige tolle Momente mit ihm – und er ist außerdem immer wieder für eine Überraschung gut – immerhin ist sein Mut schon in Band 1 als allererstes herausgestochen – und hier verhielt sich das nicht anders. Der Schreibstil der Schweizer Autorin war schon in Band 1 absolut gelungen und nah an der Perfektion. Und diesen Eindruck gewinnt man auch hier wieder auf ganzer Linie. Christine Brand schreibt einerseits sehr rasant, temporeich und actiongeladen, bringt aber auch Gefühle ins Spiel, die sehr authentisch und intensiv übertragen wurden. So spürt man während des Lesens zeitgleich den Nervenkitzel wie auch die Verzweiflung, die so manche Figur hier befällt. Doch auch positive Emotionen fallen hier deutlich ins Gewicht und lockern den Krimi immer wieder für (ganz) kurze Zeit auf. Mittels geschickt platzierten Beschreibungen und Informationen wird darüber hinaus auch noch ein glasklares Bild der Szenerien erzeugt. Zuvor hatte ich bereits über die sehr ausschweifende Recherche geschrieben, die hinter dem Buch stecken muss, da viel Fachliches in die Geschichte einfließt – doch auch hier beweist Frau Brand ihr Talent und bringt selbst die kompliziertesten Aspekte absolut verständlich und interessant rüber. Die einzelnen Erzähl-Stränge, die jeweils mit unterschiedlichen Protagonisten versehen sind, sind sehr geschickt ausgearbeitet und in sich 100% stimmig. Allein wie sie die Stränge aufgebaut hat, ist bemerkenswert und einen deutlichen Pluspunkt wert – immerhin ist es zum Teil so undurchsichtig, dass man eigentlich den Faden verlieren müsste; dies aber aufgrund des Könnens der Autorin nicht tut. Für mich sowohl der perfekte Erzähl-Stil für einen Krimi, als auch die perfekte Gliederung für die Handlung. So macht ein Kriminalroman Spaß! FAZIT: „Die Patientin“ von Christine Brand ist wieder ein hochgradig spannender, mitreißender und undurchsichtiger Kriminalroman voller Action, interessanten Aspekten und unvorhersehbaren Wendungen. Trotzdem muss ich jetzt rückblickend sagen, dass mir fürs absolute Highlight noch eine Brise „Wow-Effekt“ gefehlt hat. Zwar war alles in allem absolut stimmig und mit etlichen Überraschungen versehen, doch ich glaube, wenn da noch weitere Bände kommen sollten, liefert die Autorin noch mehr und setzt Band für Band noch einen obendrauf. So verbleibe ich auch hier wieder knapp unterhalb der 5 Sterne, spreche aber eine 100%ige Lese-Empfehlung für alle Krimi-Fans aus! Großartige Unterhaltung, die einfach Spaß macht – und zum Teil sogar ein bisschen gruselt.

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