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gwyn

Posted on 9.9.2020

«Mexikanisch, peruanisch oder japanisch … Dagegen verzeichnet eine Ackerfrucht, die wie keine andere mit der heimischen Küche identifiziert wird, einen steilen Absturz: die brave Kartoffel.» Mit den ersten Seiten dieses Sachbuchs hatte ich arge Probleme. Doch später wird es wirklich gut! Von vorn. Diese «früher war alles besser» Geschichten bringen bei mir eher ein bemitleidendes Grinsen zum Vorschein. Manfred Kriener regt sich auf, dass unsere Restaurants heute eine kulinarische Vielfalt besitzen und die Kartoffel kaum noch auf den Tisch kommt. Was er dabei aber nicht erwähnt, dass er hier von Großstädten redet, denn in Kleinstädten findet man den Japaner, Mexikaner, Vietnamesen recht selten an, auf dem Land schon gar nicht. Und dann redet er von der heimischen Kartoffel. An der Stelle bin ich in brüllendes Lachen übergegangen. Erst im 17. Jahrhundert kam die Kartoffel nach Deutschland. Doch um ihre Verbreitung hat sich erst Preußenkönig Friedrich der Große im 18. Jahrhundert verdient gemacht. Denn die Bauern lehnten anfänglich die Ackerfrucht ab, erst unter Zwang wurde die Pflanze angebaut und die Menschen wurden angeleitet, sie zu verarbeiten – nicht die giftigen Blätter zu essen! Mit Vegetariern und Veganern hat der Autor nichts am Hut. Er berichtet von guten alten Zeiten, wo der Schweinekopf im Wurstkessel schwamm, Opa dann die Fleischstücke verteilte, zum Stippen Salz auf die Tischplatte streute, für den Autor bis heute das köstlichste Mal der Welt. Er erwähnt aber leider nicht, dass der heutige Mensch weniger körperliche Arbeit verrichtet und den hohen Energiebedarf des letzten Jahrhunderts nicht mehr benötigt. «Schwer zu sagen, wann genau das Essbesteck um ein entscheidendes Instrument erweitert wurde. … Die Facebook-Welt, die für Kommunikation und Narzissmus ein neues Universum erschuf, wurde 2004 gegründet. Heute versammeln Facebook, Instagram und Co. fast die halbe Weltbevölkerung in ihren Netzwerken. Die Zahl der dort veröffentlichten Fotos von hübsch dekorierten Tellern geht ebenfalls in die Milliarden.» Auch für die Fotografie von Essen kann er sich nicht erwärmen. TV- Kochsendungen sind ihm zuwider. «Die Epidemie der Kochsendungen, die Rezeptlawinen, der Kochbuchboom und die vielen Blogs im Netz kommen ja nicht zufällig zustande.» Es gehe hier um Produktvermarktung, bin hin zum Hometrainer und Fitnesscenter, weil der Mensch sich nicht bewege, nur noch vor dem TV verharre. Er bemängelt, dass den Menschen heute ein Leberwurstbrot mehr reicht, «Garnelenburger mit Nektarinensalat» muss es mindestens sein. Ab Seite 49 wird dann endlich interessant, das bis zum Ende, und hat mich letztendlich mit dem Buch versöhnt. Es gibt gute Infos zu In-vitro-Fleisch, mageres Muskelfleisch, das in Laboren gezüchtet wird. Das Marketing läuft: Dafür braucht es keine Tiertötung, keine Futterpflanzen, keine Abholzung des Regenwalds. Das mit fetalem Kälberserum angesetzte Fleisch soll die Zukunft sein. Man muss lediglich den lebenden Kalbsföten dicke Nadeln ins schlagende Herz stoßen und das gesamte Blut absaugen, so sieht die Realität aus. Noch wird in Massentierhaltung produziert, mit hohem Antibiotikaeinsatz, Gefahren für das Trinkwasser und Boden durch Überdüngung; Putenbrust von überzüchteten Tieren der Rasse «B.U.T. Big 6», den Hühnern geht es nicht besser. Massentierschlachtung, und dann werden Kohlendioxid und Sauerstoff in die Schutzverpackungen gepumpt, damit das Fleisch zwei Wochen lang frisch bleibt. Im Nebeneffekt wird es leider trocken, zäh und geschmacklos. Dann eben Biofleisch – aber da ist auch nicht alles gesund und mit Vorsicht zu genießen. Weg vom Fleisch. Probieren wir es mit Insektennahrung – die stammen fast ausnahmslos von Farmen in Südostasien, gefüttert mit Soja und Fischmehl, was die Futtermittelproblematik ausweitet. Dann bleibt uns der Fisch. «Die moderne Technik mit Tiefsee-Messgeräten, 3D-Karten vom Meeresboden und intelligenten Netzen macht es möglich, dass die Schiffe vom Netz aus gesteuert werden. Sie können sich in Regionen vorwagen, die früher tabu waren, weil Seeberge und Riffe die Netze beschädigten. Die größten haben eine Öffnung von bis zu 35.000 Quadratmetern.» Die Welternährungsorganisation gibt an, ein Drittel aller Bestände weltweit sind überfischt und 59,9 Prozent bis zum Limit ausgebeutet. Der sogenannte Beifang, wie Haie, Delfine, zu kleine Fische, unerwünschte Sorten, müssen zurück ins Meer. Die meisten Tiere überleben aber nicht. Beim Garnelenfang kann der Beifang schon mal bis zu 60 Prozent ausmachen. Interessant auch dazu die EU-Gesetze zu Fangquoten. Man empfiehlt uns heute, nachhaltigen Fisch aus der Zucht zu essen. Leider werden in den Basins viel zu viele Fische gehalten, und sie erkranken, werden von Parasiten befallen, was dazu führt, dass massenhaft Medikamente und Antibiotika eingesetzt werden, Insektizide, um die Läuse zu reduzieren. In Norwegen werden die Lachse mit gentechnisch modifizierter Soja aus Südamerika gefüttert. Dem Fisch fehlen die Omega-3-Fettsäuren, drum setzt man dem Futter Pigmente zu, um die rote Farbe zu behalten. Extrem besorgniserregend sind diese Bassins in offener See für den Wildlachs, der sich beim Vorbeischwimmen mit Krankheiten infiziert. Viele der Zuchtlachse schaffen es, in die Freiheit auszubüchsen. Sie paaren sich mit dem Wildlachs, der sich so genetisch verändert, nicht mehr stark genug ist, um seine Laichgebiete zu erreichen. «Dann liefert Raether die harten Fakten, notiert auf seiner Farm in Limpopo in Südafrika. Für ein Kilogamm Tomaten werde im Schnitt eine Wassermenge von 180 Litern benötigt, ein Kliogramm Avocados verbrauche 1000 Liter. 1000 Liter in einer Region, wo die Rinder verdursten und Wassser äußerst knapp ist.» Es folgt ein gutes Kapitel über das altbekannte Zuckerproblem und eine Aufklärung über das sogenannte «böse» Fett. Was hat es auf sich, mit der angeblich Superfood? Was ist dran an diesen Produkten? Die aus China importierten Gojibeeren verlieren durch die Trocknung ihre Vitamine, doch die Pestizidbelastung bleibt natürlich erhalten. Die gesunde Avocado birgt bekanntlich ein Wasserproblem, auch in Spanien. Was hat es mit Quinoa auf sich? Und so viel Chiasamen, wie gekauft werden, kann es gar nicht geben – oft sind Fälschungen im Regal zu finden: Basilikumsamen. Gerstengraspulver – eine gute Marketingmasche für nichts. Und wie sieht es mit Pestiziden bei Superfood aus? Müssen wir so viele Exoten verspeisen? Die Klimabilanz für den Transport ist hundsmiserabel. Und viele Lobpreisungen entpuppen sich schlicht als gutes Marketing. Auch zum Wein gibt es ein paar gruselige Tatsachen. Der Autor hat fein recherchiert und zieht diverse Studien heran. Manfried Kriener hat einiges über unsere Lebensmittel auf den Tisch gepackt. Und nach anfänglichem Kopfschütteln hat sich das Buch als gute Fundgrube an Informationen entpuppt. Eine Gruppe von Lebensmitteln hat mir gefehlt: Vegane Lebensmittel: übersüßte Ersatzmilch, vegane Wurstsorten, Frikadellen, Schnitzel, Fertigprodukte. Was mag hier alles chemisch vermengt sein? Vielleicht eine Anregung für ein neues Buch. Doch bitte nicht wieder mit dem Schweinekopf das Buch beginnen! Was gibt uns der Autor mit auf den Weg? Hinschauen, was man sich auf den Tisch holt. Selbst kochen! Direkt beim Bauern kaufen, Produkte aus der Region wählen. Einen Metzger finden, der selbst seine Wurst herstellt … da wird bei mir die Ökobilanz schlecht ausfallen – überhaupt mal einen Metzger finden oder einen richtigen Bäcker. Immerhin kann man sein Brot selbst backen. Nachdenken, bevor man sich von Marketingstrategien über das Ohr hauen lässt! Und: «Kochen Sie selbst so oft wie möglich, meiden Sie jeden Industriefraß, misstrauen Sie den Fertiggerichten der Ernährungskonzerne.»

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