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gwyn

Posted on 6.9.2020

«Ihre Kinder für unsere Kinder, die im Krieg gestorben sind.» Eine erfolgreiche Dystopie wird nach Jahren fortgeführt als Prequel, ich war skeptisch. Und wie erwartet bleibt der neue Band um Längen hinter der Trilogie zurück. Suzanne Collins hat ihre Backstory genommen und ausgearbeitet. Es geht vom ersten Band 64 Jahre zurück in die Vergangenheit. Der spätere Diktator Coriolanus Snow ist 18 Jahre alt. Er lebt zusammen mit seiner Cousine und Großmutter, mittlerweile heruntergekommen, täglich stinkende Kohlsuppe essend, als die Letzten der Familie Snow, einem einst mächtigen Clan auf dem Kapitol in Panem. Der Rest der Familie wurde im großen Krieg gegen die Kolonien getötet. Ein Studium kann er nicht finanzieren. Er hat nur eine Chance: Der Mentor, der mit seinem Tribut die Hungerspiele gewinnt, erhält ein Stipendium für die Universität. So hofft Coriolanus auf die Zuweisung eines guten Mentoren. Die Enttäuschung ist groß: Coriolanus wird der Mentor von Lucy Gray, ein Mädchen im Regenbogenkleid aus Distrikt 12. Dieser Distrikt gilt als ziemlich aussichtslos, er ist einer der Ärmsten – dazu ist Lucy ein Mädchen, weder stark noch kampferprobt. Leider ahnt man als Leser an dieser Stelle, wie die Hungerspiele ausgehen werden … Die Spiele der Vorzeit sind noch grausamer und relativ langweilig für meinen Geschmack. Nachdem die Tribute eingetroffen sind, werden sie zunächst eingesperrt, wobei gleich einige in der Wartezeit an Hunger sterben – es sind a Hungerspiele. Ein Tribut wird mehr oder weniger aus Versehen getötet und Rebellen greifen die Arena an. Lucy weiß allerdings, wie man sich der Menge an den TV-Geräten präsentiert. Aufgewachsen in einer Schaustellerfamilie, mit einer wundervollen Stimme bedacht, kann sie die Zuschauer mit ihren Songs für sich gewinnen. Die Spiele finden ausschließlich in der Arena statt, die ein paar dunkle Gänge beherbergt, in die sich die Tribute sich nach Eintreffen verziehen. Hin und wieder kommt der ein oder andere zurück in die Arena, Drohnen mit Wasser und Lebensmitteln werden durch Spenden der Zuschauer für die jeweiligen Tribute eingeflogen. Natürlich gibt es ein paar Kämpfe und Hinterhalte und am Ende kann nur ein Tribut gewinnen. Die echte Heimtücke läuft hinter den Kulissen. Intrigen gegen Coriolanus – er gegen andere, Regelverstöße der Mentoren, um ihre Tribute zu bevorteilen usw. Coriolanus ist die Hauptfigur, sein Lebenslauf wird ausgebreitet – aber leider nur oberflächlich, nicht weitgehend zurück. Warum wird einer so, wie er ist. Das sollte ein Autor vor dem Schreiben ausloten, um seine Figur zu verstehen, die Backstory. Und diese hier ist zu einem neuen Panemband erwacht. Warum wird jemand Diktator? Weil er eine schlechte Kindheit hatte? Die Antwort ist viel differenzierter und muss tief in die Psyche eines Menschen eintauchen. Eben das funktioniert hier nicht, alles bleibt an der Oberfläche. Snow ist ein Chamäleon, prinzipienlos. Wie ein Aal schlängelt er durch den Schlamm, obendrein gewissenlos, schreckt vor Mord nicht zurück. Er war eben bereits mit 18 Jahren ein Miststück. Nachdem die Spiele beendet sind, geht die Story noch ein Stück weiter. Der Leser begleitet den frustrierten Coriolanus noch ein wenig, man erfährt etwas über das harte Leben in den Distrikten. In diesem Roman sind letztendlich alle Figuren Looser. Eigentlich drückt man keinem Protagonisten die Daumen, die Spiele zu gewinnen. Ich denke, genau deswegen entwickelt das Buch auch keinen Sog, man kann es gut zuklappen, später weiterlesen. Die Spiele sind langweilig, die Intrigen so lala, dem Roman fehlt jede Tiefe. Die Atmosphäre aus der Trilogie fehlt gänzlich. Man kann die 608 Seiten lesen, wenn man zwischendurch – ansonsten nickt man beim Lesen ein. Die Schlichtheit von Plot, Charakteren und Sprache machen es eben nicht sehr spannend. Es gibt ziemlich viele Hänger im Spannungsbogen. Die echten Fans sind immer begeistert, klar. Ich sehe es nüchtern, mich konnte die Geschichte nicht packen, mir fehlte an allen Ecken Substanz. Suzanne Collins, 1962 geboren, begann ihre Karriere Anfang der 90er-Jahre als Drehbuchautorin für das amerikanische Kinderfernsehen. 2003 veröffentlichte sie mit dem Roman «Gregor und die graue Prophezeiung» den ersten Band einer fünfteiligen Abenteuer-Reihe, die sich schnell zum internationalen Bestseller entwickelte. 2009 erschien «Die Tribute von Panem» und die Trilogie wurde ein weltweiter Erfolg – ebenso erfolgreich verfilmt.

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