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Die Liebesbriefe von Montmartre ist mein erster (Hörbuch-)Roman von Nicolas Barreau. Bisher habe ich nur die ZDF-Herzkino-Verfilmung seines Bestsellerromans »Das Lächeln der Frauen« mit Melika Foroutan und Benjamin Sadler im Hauptcast gesehen. Mir hat die RomCom um den französischen Lektor André Chabanais gefallen, der unter britischem Pseudonym einen Bestseller veröffentlicht und alsbald der real existierenden Hauptfigur aus seinem Roman näher kommt. Nun muss ich schmunzeln, wenn ich in Bezug auf Nicolas Barreau lese, dass hinter dem französischen Autor in Wahrheit eine deutsche Verlegerin/Autorin stecken soll – bis heute unbestätigt. Die Vita und das Autorenfoto sind also unecht? Und der Autor lebt überhaupt nicht in Paris? Also ich finde die Vorstellung genauso amüsant, wie in der Romanverfilmung dargestellt. Denn Autoren haben Gründe für die Verwendung eines Pseudonyms (sei es aus privaten oder Marketingambitionen) und am Ende zählt für mich die – hier sehr lesenswerte – Geschichte. In »Die Liebesbriefe von Montmartre« ist der Ich-Erzähler Julien Azoulay ebenfalls ein gefeierter Bestsellerautor. Nach dem Debüt-Erfolg seiner romantischen Komödie ist es nicht verwunderlich, dass Juliens Verleger Jean-Pierre Favre ganz versessen auf ein neues Manuskript ist und hartnäckig an Juliens Tür klopft. Doch der nun alleinerziehende Vater eines Sohnes ist nach dem Tod seiner geliebten Frau Hélène keineswegs in der Stimmung, eine humorvolle Geschichte aufs Papier zu bringen. Und dann sind da noch die 33 Briefe, die Julien an Hélène schreiben soll. Denn kurz bevor sie an Krebs verstarb, bat Hélène ihn um einen Brief für jedes ihrer Lebensjahre. Mit dem Versprechen, dass Juliens Leben mit dem letzten Brief eine gute Wendung genommen haben wird. Nicht zu viel versprochen! Denn bei dieser Art von Roman ist ein glückliches Ende natürlich fast schon vorprogrammiert. Inzwischen ist der Weg das Ziel und dieser wird für Julien bald zu einem Rätsel, als die Briefe an Hélène plötzlich aus dem Geheimfach verschwinden. Zurück bleiben wundersame Gegenstände, die Juliens Abenteuerlust wecken und ihn zuweilen an Zeichen aus dem Jenseits glauben lassen. Natürlich dürfte des Rätsels Auflösung für viele Leser/innen keine große Kunst darstellen. Obgleich sich Nicolas Barreau sportlich ins Zeug legt, um die Brotkrumen in mehrere Richtungen zu verteilen. Neben einigen Anzeichen, die durchaus dafür sprechen, dass Julien nun doch unverhofft Antworten von Hélène posthum erhält, bleiben noch zwei weitere mögliche Briefdiebinnen übrig, die offensichtliches Interesse an Julien bekunden – zumindest für die Leser/innen. Der Ich-Erzähler hingegen steht etwas auf dem Schlauch und benötigt erst einige Fehlinterpretationen wie Fehltritte, bis sein Verstand das naheliegende Puzzlestück findet und sein Herz erkennt, nach wem es sich wahrhaftig sehnt. Da Julien hauptsächlich mit der Trauerbewältigung in Form von 33 herzergreifenden Briefen beschäftigt ist und von seinem liebenswerten Sohn Arthur auf Trab gehalten wird, ist dieser Umstand jedoch durchaus verständlich. Zumal ihn sein bester Kumpel Alexandre mit gut gemeinten Ratschlägen ebenfalls in die falsche Richtung lenkt. Alles in allem empfand ich »Die Liebesbriefe von Montmartre« als eine tragisch-komische Liebesgeschichte mit viel Herz, wenn auch wenigen Überraschungen im Plot. Julien ist ein sympathisch angelegter Charakter, der nicht loslassen kann und viel hinterfragt. Infolgedessen benimmt er sich anderen gegenüber vielleicht nicht immer fair, aber nachvollziehbar. Und obgleich es ihn regelmäßig auf den Friedhof von Montmartre verschlägt und die Geschichte folglich eher tragischen Ursprungs ist, musste ich beim »Lesen« ein ums andere Mal herzhaft lachen. Das liegt zum Teil auch an dem Hörbuchsprecher Steffen Groth. Der Schauspieler und Synchronsprecher betont die Geschichte an den richtigen Stellen und gibt den einzelnen Protagonisten eine individuelle Stimme. Da lief das eigene Kopfkino automatisch auf Hochtouren und produzierte eine atmosphärisch inszenierte Dramödie auf meine innere Leinwand. Während des Hörens stellte ich erneut fest: Paris ist auch in Buchform immer wieder eine Reise wert. In diesem Fall spielt die Handlung überwiegend im 18. Arrondissement Montmartre, einem Pariser Künstlerviertel, das mit der weißen Basilika Sacré-Cœur das höchst gelegene Viertel von Paris darstellt und einen beeindruckenden Blick über die Stadt bieten soll. Auf dem Friedhof von Montmarte liegt überdies der deutsche Dichter Heinrich Heine begraben. Der Ort, an dem die Liebesgeschichte von Julien und Hélène begann und Julien nun einen emotionalen Abschiedsmarathon hinlegt. Kurz gesagt: Ein lesens- wie hörenswerter Roman über einen emotionalen Verlust und einen zaghaften Neubeginn, trotz teils absehbarer Handlung! Die Hörbuchversion profitiert überdies durch die vielseitige Stimmen-Performance von Steffen Groth.