SternchenBlau
„Ace in Space“ sprengt die Norm. Und das, finde ich, auf eines außerordentlich positive Weise. Allerdings fühlte ich mich zu Beginn des Buches etwas „lost“. Viele spacige und obercoole Begrifflichkeiten prasselten auf mich ein. Worum soll es hier genau gehen. Und durch die Pilotenbar, die an eine LAN-Party erinnert, dachte ich zunächst, die Weltraumkämpfe würden virtuell ausgefochten anstatt als reale Kämpfe. Ich muss zugegeben, zunächst kam ich mir irgendwie ziemlich alt vor. Aber anders als bei „Superbusen“ nicht so, dass ich das Buch deswegen eigentlich gleich ad acta legen wollte, sondern mit Wehmut: Bin ich mit 40 wirklich schon so zum alten Eisen? Aber irgendwie blieb ich doch dabei und Neologismen wie die Folgenden haben dann den Sprachnerd in mir immer wieder prächtig amüsiert: »Weißt du, wir hängen halt in der Gang zusammen rum. Brokrastinieren.« Sie lachte kurz über diese typische Free-Turf-Wortschöpfung, die sie nur aus AnsVee-Shows kannte. Ich hatte zwar am Anfang viele Fragezeichen, aber Setting und vor allem die Charaktere sind mir sofort ans Herz gewachsen. Sie sind Haudegen, haben alle ihr Päckchen zu tragen und können auch mal einen fiesen Spruch loslassen, aber sie sind gute Menschen. Das Konzept des „Hope Punk“, das ich schon in „Wasteland“ des Autorenduos zu schätzen wusste, kommt hier wundervoll zum Tragen. Diversity kommt dazu auf so vielen Ebenen zu tragen, dass es eine Freude ist. Diversity ist bei den „Vögten“ die Norm, ein wundervolles „New Normal“. Richtig gefeiert habe ich dann, dass das schnarchlangweilige „Love Triangle“ völlig umschifft wird und zu etwas Erwachsenem und Coolen wird. Genau so, wir gehören auch unseren Partner:innen nicht, wir müssen uns nicht durch mehrbändige Reihen mit Eifersuchtsdramen und toxischer Männlichkeit quälen. Genau SO wie hier will ich das lesen! Die Erotikszenen machen daraufhin auch richtig Spaß. Consent ist hier eh Ehrensachen. Genau wie genderneutrale Sprache und ich finde es so faszinierend, wie „normal“ ich das mittlerweile lesen. Das ist Sci-Fi-Unterhaltung für Erwachsene mit einem starken Statement für Diversity. Richtig toll zu lesen fand ich die Zusammenfassungen von Chat-Protokollen, Newsfeeds o.ä., bei denen die Bilder wie für Menschen, die beim Sehen eingeschränkt sind, beschreiben wurden. Das machte so viel Spaß zu lesen! Dazu kommen noch eine politische Analogien auf unsere reale Welt, die „Ace in Space“ für mich nochmal zusätzlich aufgewertet hat: Aufmerksamkeitsökonomie, Wirtschaftslobbyismus, die Grenzen des internationalen Rechts und Genozide wie in Rojava. Auch das macht dieses Buch auf eine absolut positive Weise erwachsen. Dass es im Buch eine Inhaltswarnung gibt, finde ich super. Ich übernehme die hier einfach mal. CN / Content Note: Dysfunktionale Mutter-Tochter-Beziehung; Drogenmissbrauch; krankhafte Veränderungen des Auges (bei Antagonist*innen, nicht bei Perspektivfiguren); Bombardement von Zivilist*innen; PTSD und Angstzustände; explizite Sexszenen; sexuell explizite Beleidigungen; Hierarchie und Gewalt in Hierarchien; Cybergliedmaßen und -sinnesorgane Hey, aber „Ace in Space“ ist in erster Linie cool und die Action macht richtig Spaß, obwohl ich nicht so der große Fan von langen Weltraumschlachten bin (stehe da eher auf Martial Arts Kampfszenen). Manche Plotentwicklungen wurden mir zu sehr im Dialog abgehandelt und auch einige Beschreibungen könnten mehr auf den Punkt kommen. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten und ein paar Durchhängern habe ich das Buch insgesamt recht gerne gelesen („Wasteland“ fand ich noch etwas runder). Ich habe so das Gefühl, mit 80 bis 100 Seiten weniger wäre „Ace in Space“ Extraklasse!!! Das Zeug dazu hat das Autorenduo. Ich drücke Ihnen die Daumen, dass ihnen im schwierigen Markt der deutschsprachigen Fantasy und Science Fiction auch mal die Luft dazu gelassen wird. "Sie tranken, als würde sie das näher zueinander bringen. Aber zwischen Wingpals lag immer kaltes All.“ Viel Mut und Können dafür haben sie auf alle Fälle. Und ich freue mich schon, weitere Bücher von den beiden zu lesen. Fazit Außergewöhnliche Sci-Fi-Unterhaltung für Erwachsene. „Ace in Space“ empfehle ich allen, die eine außergewöhnliche Lektüre suchen und Diversity lieben. 3,5 von 5 Sternen, die ich wegen der vielen Pluspunkte sehr gerne aufrunde.