SternchenBlau
Tante Vee erzählt von Sex und Krieg und ein Bisschen auch von Freundschaft und Liebe. Elizabeth Gilberts „Eat, Pray, Love“ fand ich vor einigen Jahren so toll und ihren TED-Talk „Your elusive creative genius“ einen wirklich inspirierenden Vortrag. Daher hatte ich mich sehr auf „City of Girls“ gefreut. Erwartet habe ich einen witzigen Roman mit viel Feminismus. Stellen wie diese gab es aber leider nur wenige: „Auf dem Dach unserer kleinen Braut-Boutique lernte ich Folgendes: Wenn Frauen unter sich sind, ganz ohne Männer, müssen sie nichts Spezielles sein; sie dürfen einfach sein.“ Bekommen habe ich stattdessen ein über weite Strecken sehr langatmiges Buch, bei dem ich nicht verstanden habe, warum hier der Sex als so etwas Besonderes herausgestellt wurde. Für die 1940er Jahre wäre das eine Emanzipationsgeschichte gewesen, aber hier und heute hat mich oft einfach nicht interessiert, wer mit wem ins Bett geht. Der eher pubertäre Ausbruchsversuch der noch jungen Hauptfigur am Anfang und die zwischenzeitlichen Selbstzweifel der Figur standen einer Sex-Positivity diametral gegenüber. Genauso wie die gelegentlichen sexistischen Beleidigungen („H*re“) oder auch die damaligen sexistischen Frauenbilder, die die Autorin für mich nicht immer richtig gerade rückt. Einmal wird auch das Esk*mo-Wort benutzt und die Stelle, wo eine Freundin befürchtet ihr Sohn könnte ein „w*rmer Bruder“ werden, weil er so sanft sei, das hätte sich Gilbert definitiv sparen können. Manchmal hat mich die Ich-Erzählerin Vivian ziemlich genervt. Das wird leider nicht immer durch Selbstironie aufgefangen: „Ich begreife nicht, warum mir niemand je an die Gurgel ging.“ Der Krieg nahm, gerade durch die Funktion von Vivians Bruder, aber auch durch die anderen Ereignisse, nach und nach eine immer größere Rolle ein. Das fand ich historisch ganz interessant, weil doch die US-Zivilbevölkerung scheinbar nicht so betroffen war. Aber irgendwie war das mit Vivians Eskapismus unausgewogen. Am Ende gibt es eine schöne Passage, die die im Krieg enthaltene toxische Männlichkeit gerade rückt, aber der lange Fokus darauf zuvor, kam mir halt wirklich vor wie: Jemand erzählt Geschichten vom Krieg. Die ernsten Themen sind einfach nicht ausgewogen in einer Geschichte, die in erster Linie leicht daherkommen will. Einsichten, wie auch über sexualisierte oder häusliche Gewalt, stehen daher auch wie Fremdkörper im Buch, auch, wenn sie noch so trefflich sind: „Wenn ich jetzt daran zurückdenke, Angela, ist es erschreckend, dass diese Art von Gewalt damals so alltäglich war – und das war sie nicht nur für Celia, sondern auch für mich. (Zum Beispiel: Warum habe ich mich damals nie gefragt, wieso Gladys so gut darin geworden war, Veilchen abzudecken?)“ Die Dialoge zogen sich oft zu lang, obwohl mir viele Schlagabtausche gut gefallen haben, fand Gilbert zu selten dann den richtigen Punkt. Dann hatte ich auch mit der Struktur des Buches so meine Probleme: Gerade die ersten 100 bis 150 Seiten zogen sich oftmals wie Kaugummi. Der Mittelteil wurde besser. Nach Vivians Rückkehr nach New York wirkte es wie ein stakkatohafter historischer Abriss, der wenig Raum gab, mit den Ereignissen mitzufühlen. Nun ja, wenn man 90 Lebensjahre in ein Buch pressen will, hätte etwas mehr Fokus gut getan. Die Auflösung, warum Vivian überhaupt einen Brief schreibt, und die Begegnungen mit eben jenem Freund haben mich dann doch sehr bewegt. Hier hat sich für mich aufgetan, warum ich „Eat, Pray, Love“ so mochte. Das ist auch der Grund, warum ich meine 2,5 Sterne aufgerundet habe. Und auch so gab es immer mal wieder wundervolle Beschreibungen: „Während des Krieges lernte ich auch endlich, mich alleine in einer Bar oder einem Restaurant wohlzufühlen. Für viele Frauen ist das eigenartig schwierig, aber irgendwann beherrschte ich es. (Der Schlüssel ist, ein Buch oder eine Zeitung mitzubringen, den besten Tisch in der Nähe des Fensters zu verlangen und einen Drink zu bestellen, sobald man sitzt.) Als ich den Dreh einmal raushatte, stellte ich fest, dass allein am Fenster eines stillen Restaurants zu essen eine der schönsten geheimen Freuden des Lebens war.“ Auf 100 bis 200 Seiten weniger, mit einer besseren Struktur hätte das ein zauberhafter, bissiger Gesellschaftsroman werden können. So hoffe ich einfach, dass Elizabeth Gilbert bei ihrem nächsten Roman ihren eigenen Rat besser beherzigt: „Ich erzählte Edna davon, wie meine Großmutter die winzigsten Fehler in meinen Kleidungsstücken aufzuspüren pflegte und verlangte, dass ich sie auf der Stelle korrigierte. Meistens wandte ich ein: »Das merkt doch niemand!«, aber Großmutter Morris sagte: »Das stimmt nicht, Vivian. Die Leute werden es bemerken, aber sie werden nicht wissen, was sie bemerken. Sie werden nur bemerken, dass etwas nicht stimmt. Lass das nicht zu.“ Fazit Leider zu langatmig. Die tollen Beschreibungen und Beobachtungen gehen unter. Meine 2,5 Sterne runde ich wegen den Begegnungen gegen Ende auf.