manjolla
Nachdem ich den ersten Band „Divergent“ gelesen habe, schraubte ich meine Erwartungen an die Fortsetzung „Insurgent“ hoch. ZIEMLICH hoch. Denn die Autorin Veronica Roth hat die Messlatte durch ein simples, aber in sich ausgeklügeltes Konzept von Beginn an sehr hoch angelegt. Die Angst derartiger Erwartungen kann beim Autor so groß sein, dass er/sie am Druck scheitert. Es wäre nicht das erste Mal. Im Falle von Veronica Roth scheint es eher, als ob sie jegliche Erwartungen von außen UND an sich selbst einfach hat von sich abprallen lassen. Ab Seite 1 des Folgebandes „Insurgent“ erkannte ich die Veronica Roth wieder, die „Divergent“ schrieb. Ich fühlte mich unmittelbar ins dystopische Chicago zurückversetzt und im Geschehen integriert. Die Zeitspanne beträgt in der Handlung nämlich nur wenige Augenblicke. Bereits mit dem Ende des Trilogie-Auftaktes kristallisierte sich heraus, dass Protagonistin Beatrice Prior aka Tris durch ganz harte Zeiten gehen könnte. Denn ihre alte Fraktion Abnegation ist unwiderruflich zerschlagen. Die Mehrheit dieses Gesellschaftsteils wurde getötet. Die Erudite hat sich, Dank der Manipulation vieler Dauntless – ihrer neu gewählten Fraktion – eine gefährliche Stellung gesichert. Doch die 16-jährige Tris ist trotz ihrer folglich selbstlosen, ja wahrlich lebensmüden Handlungen, nicht zu einer übermenschlich selbstbewussten Kampfmaschine mutiert. Tris ist traumatisiert, fühlt sich leer und emotional überfordert. Sie hat die ihr zwei wichtigsten Menschen verloren und einen liebgewonnenen Menschen erschießen müssen. Und obwohl ihr Bruder Caleb – ein Erudite – bei ihr ist, sind sie durch den Kampf ihrer Fraktionen einander nicht mehr so nahe. Tris‘ Leiden begleitet sie wie ein dunkler Schatten, und beeinflusst ihr Denken und Handeln stark. Veronica Roth macht dem Leser durch ihre Protagonistin klar, wie tief verwurzelt der Verlust sitzt und wie sehr dieser Entscheidungen beeinflussen kann. Das sich Tris dadurch permanent zum Märtyrer macht, bringt wiederum Komplikationen mit sich. Plötzlich sieht sie sich Konflikten mit ihrem einzigen, bisherigen Vertrauten ‚Four‘ ausgesetzt. Denn ‚Four‘ – ihr ehemaliger Ausbilder aus der Dauntless Fraktion und auch Freund – sieht Tris nach wie vor (trotz seines Wissens) als eine Dauntless. Und in diesem Zuge hat sie auch so zu agieren. Das Tris als Divergent sich aber auch in Mitglieder der anderen Fraktionen hereinversetzen kann, interessiert ihn nicht. In der Fortsetzung wird dies sehr deutlich. Während ich Tris‘ Zerrissenheit, die Trauer und dem daraus resultierendem Verhalten wirklich gut nachvollziehen konnte, hat mich Four oftmals frustriert. Von Feingefühl hat der Herr offensichtlich noch nichts gehört. Er setzte voraus, dass Tris sich anpasste und natürlich die schwierige Situation, auch zu seinem Vater Marcus, versteht. Wenn es aber aufs Ganze ging, verschloß er sich ihr gegenüber. Nachdem Tris, ihr Bruder Caleb, Four, sein Vater Marcus und Peter zunächst bei Amity Unterschlupf gefunden haben, muss entschieden werden wie es weitergeht. Denn sicher fühlen sie sich auch bei Amity, aufgrund derer Aufenthaltsauflagen, nicht lang. Und so bekommen sie und der Leser nicht nur einen Einblick in das Amity Quartier. Wir machen uns mit Tris & Co. auf den Weg in das Versteck der Fraktionslosen und erleben dort eine Überraschung. Mir gefielen diese Einblicke, die Veronica Roth ihren Lesern in die einzelnen Fraktionen gewährte. In vielen Sequels einer Trilogie greift der Autor viel zu oft zur sicheren Methode: der Dreiecksklamauck (nenne ich einfach mal so). Aus Konflikt entsteht eine Trennung des Paares, einer der beiden tröstet sich ohne loslassen zu können mit jemanden anderen, es entwickelt sich eine komplizierte Dreiecksbeziehung. Doch hier sei erwähnt, dass wir uns in „Insurgent“ mit so etwas nicht rumschlagen müssen. Veronica beweist: es geht auch anders. Was für ein Segen! Probleme, Geheimnisse gibt es zwischen Tris und Four nämlich zur Genüge. Da noch eine Dreiecksbeziehung zu platzieren, hätte den Rahmen gesprengt. Dennoch habe ich hier noch einen Kritikpunkt. In komplizierten Handlungssträngen schlichen sich bei mir kleine Sinn- und Zeitfehler rein. Nichts weltbewegendes, aber dennoch führte es dazu, dass ich einige Male wieder zurückblättern musste, nochmals las und feststellte, dass da etwas nicht ganz ‚Koscher‘ war. Solche Fehler können zu Verwirrungen führen. Es störte leider meinen Leserhythmus. Wenn die Autorin deartige Fehler übersieht, was selbst nach mehrfacher Durchsicht durchaus vorkommen kann, sollte doch der Lektor ‚Schadensbegrenzung‘ betreiben. Es ist ein bisschen schade, denn es hat sich auf meine Bewertung ausgewirkt. Nichts desto trotz ist diese Fortsetzung stark. Während anderen Autoren nach einem starken Auftakt beim zweiten Teil schon die Puste ausgeht, lässt Veronica Roth den Leser hier wieder kaum Luft holen. Für mich persönlich war das Ende eine absolute Überraschung, was mir den generellen Punktabzug auch schwer gemacht hat. Das Cover ist eine Augenweide. Ja, an diesem kann man sich vorstellen wie der Amity Baum ausschaut. Absolut phänomale Arbeit und steht dem Cover zum Erstling in nichts nach. Auf das finale Buchcover bin ich umso mehr gespannt. Genau wie auf den Titel, natürlich.