Profilbild von mrs.misery

mrs.misery

Posted on 27.8.2020

Die Story ist etwas komplizierter.  Der Krimi wird aus unterschiedlichen Perspektiven geschrieben, wobei netterweise immer auf den Seiten geschrieben ist, aus welcher Sicht gerade gesprochen wird.  Im Großen und Ganzen dreht sich alles darum, dass diverse Frauen aus diversen Gründen "ins Wasser gehen" - sich also das Leben nehmen.  Und das - so finde ich - ist ein riesengroßer Pluspunkt. Denn hier geht es nicht, wie in so vielen anderen Krimis, darum, den Mörder für ein Verbrechen zu finden, das in den ersten Seiten geschildert wird. Diesen Aufbau finde ich wahnsinnig langweilig. Immer die gleiche Ermittlungsarbeit und letztlich war es dann wieder der Gärtner :D Hier jedoch begibt sich Julia auf die Reise in ihren Heimatort, in dem sie zusammen mit ihrer Schwester aufgewachsen ist. Julia hatte keine Kindheit, wie man es einem Kind wünscht. Durch ihr Übergewicht wurde sie gemobbt und ihre perfekte, schöne Schwester Nel zieht alle Blicke auf sich.  Je älter sie werden, desto mehr trennen sich ihre Wege (da gibt es gegen Ende noch einen tollen WHOA-Moment!), bis der Kontakt schließlich komplett abbricht. Bis... - ja bis Nel plötzlich tot aufgefunden wird. Und hier weiß auch Julia, dass das keine Selbsttötung gewesen sein kann. Sie macht sich auf die Suche nach dem Grund des Todes und entdeckt dabei, dass die Geheimnisse viel weitreichender sind, denn sie betreffen die ganze Stadt.  Seit Jahrhunderten sterben plötzlich "unbequeme" Frauen im Wasser. Doch warum Nel? Kapitel für Kapitel wird das Leben in der Kleinstadt aus anderen Blickwinkeln betrachtet. Ermittler, eine Mutter, deren Tochter ebenfalls starb und die verrückte Alte darf natürlich auch nicht fehlen - um nur wenige Beispiele zu nennen.  Anfängliche Sympathien und Antipathien gegenüber den Charakteren befinden sich im ständigen Wandel.  So wird beispielsweise ein Szenario beschrieben und man denkt "Hey, ich hätte das genau so gemacht. Dich mag ich." Und dann wird GENAU die gleiche Situation aus dem Blickwinkel eines anderen erzählt und die Sympathie beginnt zu bröckeln. Einen Kritikpunkt habe ich jedoch. Meines Erachtens spielen in diesem Buch zu viele Charaktere eine zu wichtige Rolle. Ich habe mir einen Spickzettel anlegen müssen, um mit den Namen etwas verbinden zu können. Ging es dir ähnlich? Das Schwierige an der Geschichte ist nämlich, dass sich in einer solchen Kleinstadt die Protagonisten untereinander kennen und jeder zu jedem eine ganz individuelle Beziehung führt. Und das nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit. Die Beziehungen entwickelten sich für mich zu einem verworrenen Spinnennetz, dem ich ohne meinen Spickzettel wahrscheinlich hätte nur sehr schwer folgen können. Das hat mein Lesevergnügen etwas mehr als erhofft beeinträchtigt.  Insgesamt ist das ein unkonventioneller und deswegen so toller Krimi. Ohne große Wendungen hat man dennoch das starke Bedürfnis, Puzzleteil für Puzzleteil zusammenzusetzen, um den Geheimnissen der Protagonisten und der Stadt auf die Schliche zu kommen und den Tod von Nel Abbott zu verstehen.

zurück nach oben