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mrs.misery

Posted on 27.8.2020

Bücher über wissenschaftliche Experimente gibt es viele. Meist sind sie staubtrocken und zugepackt mit unzähligen Fremdwörtern, sodass Otto Normalverbraucher schon nach wenigen Seiten das Interesse verliert.   Es sei denn.. Man untersucht bizarre Fragestellungen.  Kann man eine Kokosnuss anstelle einer Kochsalzlösung zur Infusion verwenden? Mit wie viel Druck sondern Pinguine ihren Kot ab? Haben Tätowierte mehr Sex? Der Ig-Nobelpreis (engl.: ignoble=unwürdig) untersucht genau die Fragen. Experimente, die so absurd aber gleichzeitig so interessant sind, dass sie zwar niemals eine offizielle Auszeichnung erlangen, aber dennoch einer Würdigung bedürfen. Mitherausgeber der jährlichen Verleihung ist Mark Benecke. Kommt dir dieser Name bekannt vor? Dann bist du vielleicht Fan von Kriminalsendungen wie Autopsie oder Akte Mord. Dort gibt der Kriminalbiologe spannende Einblicke in die Welt der Forensischen Entomologie und erklärt, wie es den Ermittlern der abscheulichen Morde immer wieder aufs Neue möglich ist, die Täter zu fassen.  Mit einem Doktortitel ausgestattet, ist es nicht verwunderlich, warum sich der tätowierte Kriminalist für die Fragestellung des Titels interessieren könnte. Doch schnell wird man enttäuscht. Die Antwort dafür wird in den ersten zweieinhalb Seiten gegeben und hinterlässt die Leserschaft dennoch mit einem weiterhin unwissendem Gefühl – es stellt einfach nicht zufrieden.  Wenige Kapitel später, wird die gleiche Frage noch einmal aufgeworfen – dieses Mal mit gepiercten Menschen. Und wieder gewinnt man den Eindruck, dass das keine befriedigende Antwort auf die Frage war.  Die kurzen Kapitel eigenen sich hervorragend, um zwischendurch mal eines davon zu lesen. Sie bauen nicht aufeinander auf. Für den nächsten Abend mit Freunden hast du so immer etwas unnützes Wissen im Hinterkopf parat.  Leider ist der Schreibstil nicht gerade spannungsaufbauend. Einige der Themen wurden so ausgeschlachtet und die Antwort auf das Experiment längst gegeben, dass man gewillt war, das Kapitel abzubrechen um zum nächsten überzugehen. Andere Kapitel hingegen wurden so knapp beschrieben, dass ein paar Sätze mehr dem Sachverhalt nicht geschadet hätten. Benecke ist ein intelligenter Satiriker – und das merkt man auch.  Mit Witz und Charme werden alltägliche Phänomene wissenschaftlich erklärt – aufgelockert durch unzählige Fotos, Diagramme oder Skizzen. So ist das Buch ein relativ kurzes Vergnügen. Das macht jedoch den Eindruck nicht wett, dass man sich hier für eine genaue Zielgruppe hat entscheiden können. Für ein lustiges Buch ist es zu unlustig – für ein wissenschaftliches Buch ist es zu unwissenschaftlich. Der Versuch eine Mischung aus beidem zu erwirken, ist hier nicht sonderlich geglückt, da der eintönige und sich immer wiederholende Ablauf ermüdet.  Am Ende einer jeden Abhandlung gibt Benecke glücklicherweise seine persönliche Meinung kund - und rettet dadurch mit Witz den wissenschaftlichen Anspruch des Buches. Auch Wissenschaftler sind vor Kausalitätsproblemen nicht gefeit und verirren sich im ein oder anderen Gedanken.  Insgesamt gewinnt man so den Eindruck, keine neuen Erkenntnisse zu gewinnen, da man sich die Antworten meist schon denken kann. Keine Überraschungen und das ständige Gefühl, es bereits gewusst zu haben.  Wenn du übrigens das Buch „Warum man Spaghetti nicht durch zwei teilen kann“ schon gelesen hast, dann ist „Warum Tätowierte mehr Sex haben“ definitiv nicht das Richtige für dich. Das ist nämlich nur eine Neuauflage unter einem anderen Titel – mit dem gleichen Inhalt.

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