mrs.misery
Es passiert mir persönlich sehr selten, aber bei diesem Roman bin ich mir auch nach dem Auslesen nicht sicher, ob ich es mag oder nicht. Bei Instagram habe ich erfahren, dass es einigen von euch genauso geht und ihr zum Teil sogar auf der Suche nach Büchern sind, die solch ambivalente Gefühle auslösen. Einen Schritt zurück. In "Idaho" geht es um Ann und ihre Familie, die, gelinde sagt, nicht als Vorzeigefamilie durchgeht. Genauer gesagt die Familie, in die sie eingeheiratet hat, als sie ihrem Mann Wade das Ja-Wort gab. Wade war nämlich bereits einmal verheiratet und hätte in die neue Ehe zwei Töchter einbringen sollen, wäre da nicht ein schicksalhafter Sommertag gewesen, an dem sich sein komplettes Leben änderte. Beim Brennholzsammeln an einem heißen Augusttag gerät plötzlich alles außer Kontrolle. Eine der Töchter ist tot, die andere flieht vor Angst in den Wald und ist seitdem spurlos verschwunden. Seine damalige Frau steht reglos mit der Axt in der Hand da. Jahre später verschwimmen die Erinnerungen an diesen Tag immer mehr, nicht zuletzt durch Wades schwere Demenzerkrankung, die in dieser Situation ein Geschenk zu sein scheint. Ann jedoch will mehr darüber erfahren, beginnt Fragen zu stellen und nimmt schließlich sogar Kontakt zu Wades Exfrau auf. Klingt nach einem Thriller, oder? Ja und nein. Es ist so viel mehr als das und damit gar kein Thriller mehr. Denn eigentlich ist es die Geschichte einer Frau, die versucht, die Vergangenheit ihres demenzkranken Mannes aufzuarbeiten und dabei immer tiefer ist die Geheimnisse ihr fremder Menschen eindringt. Allen voran, der Ex-Frau ihres Mannes, die seit dem schicksalhaften Tag im Wald im Gefängnis ihre Strafe absitzt. Die Reise, auf die sich die Protagonistin begibt, wird sehr detailliert erzählt, immer wieder durchbrochen von Flashbacks, in denen sehr ausführlich über Um- und Gefühlswelt berichtet wird. Besonders die unkonventionelle Ehe zu Wade spielt eine große Rolle und rundet das Bild der sehr eigentümlichen Atmosphäre ab. Stück für Stück wird klar, dass es sich bei diesem Roman um keine von Cliffhangern gespickte Erzählung handelt. Da ich persönlich aber genau mit einer solchen Story gerechnet hatte, wurde ich bis zum Schluss nicht so recht warm mit dem Inhalt und der sehr langsamen Erzähldynamik. Bis zum Ende war mir leider nicht klar, worauf die Autorin nun gerade den Fokus legt, doch gleichzeitig verwendet Emily Ruskovich eine Sprache, deretwegen man das Buch dann doch nicht zur Seite legen kann. Äußerst eloquent, ehrlich und ungeschönt, lebhaft bildlich. Mir persönlich baut sich die Dramaturgie zu langsam auf. Auch wenn ich die fantastische Schreibweise sehr zu schätzen weiß, habe ich mir unter diesem Buch schlichtweg etwas anderes vorgestellt, wovon ich mich bis zum Schluss nicht trennen konnte. Wer jedoch auf der Suche nach einem sprachlich hervorragend erzähltem Familiendrama ist, macht mit "Idaho" alles richtig. Mehr über die Autorin: EMILY RUSKOVICH wuchs im Idaho Panhandle auf dem Hoodoo Mountain auf. Sie gewann den O. Henry Award 2015, ist Absolventin des Iowa Writers’ Workshop und lehrt an der Boise State University. Ihr beeindruckendes Debüt »Idaho« wurde in den USA und Deutschland von der Presse gefeiert. (Quelle: Randomhouse)