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mrs.misery

Posted on 26.8.2020

Der Schriftsteller aus Jerusalem zählt zu den einflussreichsten Autoren des Landes und schreibt über Liebe, Freundschaft und Hoffnung. So auch in seinem neuen Buch "Die Wahrheit ist", das so anders ist, als alles zuvor. • Der Protagonist ist er selbst, Eshkol Nevo, mit all seinen Stärken und Schwächen, seinen Gefühlen, seiner Umwelt und der heiklen politischen Situation im Land. • Die Story selbst ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Denn eigentlich ist "Die Wahrheit ist" ein Interview - und genau so aufgebaut. Die Aufteilung des Buches erfolgt nicht klassischerweise in Kapiteln, sondern in Interviewfragen, die Nevo zugesendet wurden und nun sukzessive beantwortet werden. • Erst der zweite Blick verrät: All diese gegebenen Antworten sind Puzzleteile, Anekdoten aus Nevos Leben, die zusammengesetzt eine Geschichte, vermeintlich seine Geschichte ergeben. • Nevo selbst vergleicht dieses Vorgehen übrigens mit einem Dekostück, das bei seiner Tante im Wohnzimmer hängt: "Ein Flickenteppich aus unzähligen übereinanderliegenden Stofffetzen und darunter eine Wunde." (S. 260) • Der Roman entwickelt dadurch eine aufreibende, schonungslos ehrliche und authentische Dynamik und beweist, dass das Niederschreiben eines Lebens nicht chronologisch verläuft, weil das Leben selbst auch keiner festen Struktur folgt. • Immer mit dabei: Dysthymie. Eine nicht enden-wollende missmutige Verstimmung, die dem Roman zwischen all dem Charme und Witz eine gewisse Melancholie einhaucht und den Geschehnissen eine unmissverständliche Tragik verleiht. • Dabei ist "Die Wahrheit ist" keine Autobiografie. Proportional zum preisgegebenen Leben steigt auch die Unsicherheit, welche geschriebenen Wahrheiten tätsächlich das Prädikat wahr verdient haben. Vielleicht um sich selbst zu schützen, vielleicht aber auch als Stilmittel des Wahnsinns, beschreibt Nevo ein Leben, in dem Wahrheit und Fiktion immer weiter miteinander verschwimmen.

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