Tintenkatze
Der erste Satz: „Die Kaffeemaschine, für die Miguel fast eintausend Dollar bezahlt hatte, gab nur noch zischende Geräusche von sich und spritzte dabei heißes Wasser auf den Küchentresen.“ Darum geht’s: Regeln, Ordnung, Disziplin. - Miguels Alltag ist voller Prinzipien. Sie zu brechen bedeutet, zu versagen, und das kommt für den perfekten Anzugträger, der nur für seine Karriere lebt und so hart für seinen Erfolg arbeitet nicht in Frage. Bis Miguels Körper plötzlich streikt und er einsehen muss, dass er so nicht weitermachen kann. Ausgerechnet Lee soll ihm helfen. Lee mit dem Schmetterlingstattoo und einem Lächeln, das Miguels starre Welt aus den Angeln hebt und ihn schwach werden lässt. So herrlich schwach. Und gleichzeitig so angreifbar für die Bilder, die ihn nachts wach halten. Die niemand sehen soll. Niemand, den Miguel schützen will. Am wenigsten sich selbst. Meine Meinung: Wenn man Ninas Schreibfähigkeit beschreiben müsste, dann würde ich sagen: Sie ist wie das Meer an einem sonnigen Tag: Ruhig, aber unendlich tief. Da keines ihrer Bücher von künstlichem Drama lebt, ist die Story so menschlich und nachvollziehbar, wie man es nur selten liest. Die Charakterentwicklung ist schlüssig und man kann sich in jeden einzelnen Charakter hineinversetzen. Miguel erinnert mich an jemanden, den ich bisher noch nicht persönlich kennenlernen durfte. Der Drang zur Perfektion, Unsicherheit und Selbstzweifel, die härter zuschlagen können, als die Faust eines Boxers, sind in Miguels Fall ein großes Problem. Und sein einziger Lichtblick ist Lee, die das genaue Gegenteil von ihm ist. Es zeigt: Egal wie stark wir sind und egal wie sehr wir uns selbst aus dem Mist ziehen wollen, es gibt diese Menschen, die uns gut tun und es ist nicht schlimm mal schwach zu sein. Die Menschen die uns lieben sind für uns da und es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn man Hilfe annimmt. Mit „All the Nights we Stay“ endet die Dilogie. Auch Sasha und Julien aus Teil 1 spielen eine große Rolle in der Geschichte. Kennt jemand von euch eine Reihe, die sowohl Gay Romance als aus Hetero Romance aufgreift? Mir fällt spontan keine ein. Aber es wird besonders deutlich: Egal wer sich in wen verliebt, jede Geschichte, egal ob Sasha und Julien oder Miguel und Lee. Sie sind gleich intensiv. Es gibt keinen Unterschied, mehr Gefühl geht nicht. Und so soll es sein. Liebe ist Liebe, welches Geschlecht es ist spielt keine Rolle. Das ist für mich die wichtigste Botschaft der Reihe, die so viel mehr in sich verbirgt, als man auf den ersten Blick sieht. 5 von 5 Sternen