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stefanb

Posted on 19.8.2020

„Und du riechst immer noch nach Schwarzpulver, nach schattigen Orten; nach langsam entstehendem Aufruhr.“ [202] Es ist beklemmend. Erschreckend. Ein dystopischer Blick in eine Zukunft mit drei Charakteren, dies sind Burschi, Charlie und Charlotte, die sich zusehends immer mehr Fragen stellen. Dinge, die am Anfang einfach hingenommen wurden, werden hinterfragt und reißen die Protagonisten aus ihrer vegetativen Schockstarre, dem chaotischen Lebensweg. „Stück für Stück ergibt Sinn, was mir immer wie ein beinahe obszön chaotisches Strudeln und Schlingern erschienen ist: mein Leben eben. Ich hatte mich redlich darum bemüht, es irgendwie im Griff zu behalten, aussichtslos.“ [167] „Schwarzpulver“ von Laura Lichtblau ist ein Buch, dass sich nur äußerst langsam lesen lässt. Man muss dieses literarische Werk sorgsam und konzentriert lesen. Ein Grund dafür sind aber nicht die Themen, die die Autorin aufgreift, sondern die lyrische und poetische Sprache. Es ist schön, wenn man die Sätze und Gedanken nicht in schnöden, kurzen Sätzen präsentiert bekommt, aber hier gleicht die Sprache einem Singsang, der den Leser*innen Kraft kostet ins Geschehen zu kommen und der Geschichte zu folgen. Sicherlich unterstreicht dies auch die Sicht der drei auftretenden Hauptcharaktere gut, schildern diese ihre Perspektive. Immer schön abwechselnd. Ihre Namen sind quasi die Kapitelüberschrift. Danach folgt ein unterstrichener Text, der sich aber nahtlos in den darauffolgenden eingliedert. Mit dem sprachlichen Stil, der anderen Gestaltung der Kapitel schafft Lichtblau es, sich aus der Masse abzuheben. Erfreulich ist, dass sie die dystopischen Ideen, die Unterdrückung durch den Staat in ihre eigene Geschichte transformiert. „Sie will: dass alle Homo- und Bi- und Trans- und Pansexuellen sich melden, und alle psychisch Kranken auch, alle Depressiven Schizophrenen Essgestörten und so weiter, eine Volkszählung wie bei Herodes oder zu noch ganz anderen Zeiten soll es geben.“ [137] Die Themen, die Aufbereitung eben dieser und die Anspielungen fand ich sehr gelungen und erfrischend den Leser *innen dargeboten. „Lassen wir die Frauen Frauen sein, weich, tröstlich und ab und an ein wenig frech, wie kleine Kätzchen. Musen, Mütter, Menschen, die das Leben einfach … schöner machen.“ [190 f.] „Charlie Venus wartete stets mit extraordinären Ideen auf.“ [151] Und das tut Laura Lichtblau auch.

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