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SternchenBlau

Posted on 17.8.2020

Welche Frau (oder weiblich gelesene Person) hat das noch nicht erlebt: Irgendein Kerl erklärt dir voller Selbstbewusstsein irgendetwas, obwohl er meist nicht mal Ahnung hat. Für dieses Phänomen hat sich mittlerweile der Begriff „Mansplaining“ durchgesetzt. Rebecca Solnit hat diesen Begriff zwar nicht erfunden, dieser kam aber auf, kurz nachdem sie dieses Phänomen erstmals in einem Online-Essay 2008 beschrieben hat. In einer besonders extremen Form, denn der „Dude“ wollte ihr sogar ihr eigenes (!) Buch erklären, obwohl er es noch nicht einmal gelesen hatte. „Sicher, Menschen beiderlei Geschlechts tun sich bei gesellschaftlichen Anlässen hervor, indem sie über Belanglosigkeiten schwadronieren, aber das durch und durch provokative Selbstvertrauen der vollkommen Unwissenden ist meiner Erfahrung nach geschlechtsspezifisch. Männer erklären mir die Welt, mir und anderen Frauen, ob sie nun wissen, wovon sie reden, oder nicht. Manche Männer jedenfalls.“ Dieses Phänomen könnte man als humorige, vielleicht nervige Anekdote abtun, aber die selben Ursachen, die zum „Mansplaining“ führen, sind auch die Grundlage für häusliche und sexualisierte Gewalt und Femizide. Solnit betont selbst, wie aus einem vermeintlich leichten Thema ein so schweres wird. Letztendlich geht es darum, dass Frauen (mund)tot gemacht werden. Solnits Essays lesen sich geschliffen und pointiert. Sie nimmt die großen feministischen Themen in den Blick. Das Buch eignet sich daher gut für alle, die ins Thema Feminismus einsteigen wollen: Rape Culture und Mansplaining, warum der Begriff „Hysterie“ sexistisch ist, oder intersektionale Diskurse. Sehr beeindruckt hat mich daher der dritte Essay „Welten kollidieren in einer Luxussuite“, weil Solnit hier den Bogen von strukturellen Sexismus hin zu strukturellem Rassismus spannt. In der versuchten Vergewaltigung durch Strauss-Kahn eines Zimmermädchens aus Guinea erkennt Solnit die Unterdrückung des globalen Südens widergespiegelt. Ein intersektionaler Feminismus muss Rassismus, Ableismus und andere Unterdrückungsformen immer mitdenken. Umso bitterer liest sich für mich dieser Essay allerdings, weil Solnit ihn noch in dem Hochgefühl schrieb, als Strauss-Kahn noch in New York in Untersuchungshaft saß. Beim Lesen weiß ich schon, dass sich Solnits Erwartung, dass endlich ein einflussreicher Täter zur Verantwortung gezogen wird, nicht erfüllt hat. Solnit stellt dem Text einen weiteren hintenan, der ihre eigene Ernüchterung, ob dieser Entwicklung ausführt. Vor allem wurde versucht das Zimmermädchen zu diskreditieren und erneut mundtot zu machen. Sehr einfühlsam fand ich zudem den Essay über Virginia Woolf, die mir sowohl Solnit wie auch Woolf sehr nahgebracht hat. Richtig bitter fand ich den Kassandra-Essay. Sigmund Freund hatte den Frauen zunächst geglaubt, was diese in der Analyse bei ihm über sexuelle Übergriffe erzählt haben. Dann hat er aber festgestellt, dass - falls er ihnen Weiterglauben würde - die meisten Männer Vergewaltiger wären. Dann war es einfacher, dass er einfach die Frauen "hysterisch" erklärt hat, die sich das alles nur ausdenken würden. „Wenn Männer mir die Welt erklären“ war eine sehr wichtige Lektüre für mich. Und ich bin froh, dass ich endlich mal ein Buch von dieser wichtigen Autorin und Feministin gelesen zu haben. Warum ich dennoch nur 4 Sterne vergebe: Solnit zeigt auf, dass Sexismus ein globales Phänomen ist. Trotzdem geht sie in erster Linie von den USA aus. Dann bin ich über einige Begrifflichkeiten gestolpert, bei denen ich nicht sicher bin, ob sie an der Übersetzung liegen oder am Original: Den Begriff „Sex-Skandal“ lehne ich schlichtweg ab, weil es nicht um Sex geht, sondern um Macht und Vergewaltigung. (Und ich glaube, an einer Stelle gab es auch noch den „Rasse“-Begriff, habe ihn habe ihn aber nicht wiedergefunden. „Race“ ist im englischen etwas ganz anderes als im Deutschen.) Die Essays sind zu unterschiedlichen Zeiten zwischen ab 2008 erschienen. Manches wiederholt sich daher – wie es das leider auch in der Wirklichkeit tut – aber beim Lesen ist mir doch aufgefallen, dass hier halt kein Werk vorliegt, die in einem Guss geschrieben sind. Daher empfehle ich die einzelnen Essays vielleicht mit etwas Abstand zu lesen. Fazit Eindrucksvoll und pointiert. Wichtige Essays für den feministischen Diskurs, wenn auch nicht ganz aus einem Guss. Eine Empfehlung und 4 von 5 Sternen.

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