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Glitzer

Posted on 13.8.2020

„Jegliche Ablenkung, mag sie auch noch so sexy sein, ist ab sofort tabu.“ (Emma in Everything you are) Worum geht’s? Emma ist gerade an ihrer Traum-Uni angekommen, wo sie nach dem Tod ihres Bruders endlich ein neues Leben anfangen will. Sie nimmt ihr Studium sehr ernst und ist dankbar für ihr Stipendium. Doch schon bald schleicht sich eine Ablenkung in ihr Leben: ein gutaussehender Unbekannte, der ihren Kopf verdreht und ihr Herz rasen lässt. Aber dann muss Emma feststellen, dass er Geheimnisse hat und sie nicht weiß, mit wem sie es zu tun hat. Und zu allem Übel stellt sich auch noch heraus, dass ausgerechnet ihre Mitbewohnerin und Freundin Lara auf den Typen steht. Was soll Emma nur tun? Everything you are ist ein Einzelband und in sich geschlossen. Schreibstil / Gestaltung Das Cover ist recht girly, verträumt und niedlich gehalten. Es passt zum Genre, hat jedoch keinen Bezug zum Inhalt des Buches. Auf jeden Fall ist es ein Hingucker. Das Buch wird ausschließlich von Emma in der Ich-Perspektive erzählt. Die Geschichte verläuft linear, es gibt zahlreiche Zeitsprünge nach vorn. Der Schreibstil ist locker und angenehm zu lesen. Er ist für ein Jugendbuch sehr passend. Das Buch enthält oberflächlich erotische Inhalte, die sie hauptsächlich im angedeuteten Bereich bewege. Es ist frei von Kraftausdrücken. Meine Meinung Don’t judge a book by its cover. Nach dieser Prämisse lebe ich schon sehr lange. Ein grausames Cover kann die tollste Geschichte beinhalten, das schönste aber auch die langweiligste. Bei Everything you are haben mich aber sowohl Cover als auch Klappentext echt überzeugt und ich freute mich auf das Buch. So viel Frust, wie mir das Buch dann aber bereitet hat, hätte ich niemals erwartet. Jugendbücher haben bei mir einen besonderen Stand, ganz ehrlich. Ich bin bei Jugendbüchern toleranter, akzeptiere mehr und kann auch mit einem gewissen Grad an Sprunghaftigkeit leben. Ja, sogar wenn es nicht ganz rund ist, bin ich bei einem Jugendbuch dazu bereit, da großzügig drüber hinwegzugucken. Das liegt einfach daran, dass Jugendbücher für eine andere Zielgruppe geschrieben sind als ich repräsentiere und der junge Leser einige Sachen anders sieht als ein Erwachsener. Dies möchte ich vorschieben, denn leider war dieses Buch für mich in fast jeder Hinsicht eine Enttäuschung. Mir ist selten ein Buch untergekommen, dass so wenig wusste, was es sein will und wo es hinwill wie Everything you are. Zumindest hat es sich für mich so angefühlt. Aber fangen wir vorne an. Grob gesehen lässt sich das Buch wohl in gute drei Drittel einteilen – Drittel 1 ist Emma am College, Drittel 2 ist Emma mit dem Unbekannten und Drittel 3 ist der Versuch eines wendungsreichen Plots rund um das Geheimnis des Unbekannten mit Krimi- und Herzschmerzelementen oder so. Das ganze Buch hindurch schleppen sich die Szenen so vor sich hin und ich sage bewusst die Szenen, weil es immer so wirkt, als sei es eine endlose, wahllose Aneinanderreihung von Momenten, die dann 2-3 Seiten füllen und dann abgehakt sind. Es wird so oft gesprungen, dass ich permanent das Gefühl hatte, weder die Handlung noch die Charaktere noch ihre Intentionen wirklich begreifen zu können. Zack, zack, zack, so ging es. Das ändert sich dann gegen Ende vom zweiten Drittel – hier gibt es das erste Mal eine längere, ausführliche, aufeinander aufgebaute Szene über zahlreiche Seiten. Wie wir inhaltlich und auch auf der Gefühlseben hier hingekommen sind, hat sich mir nur leider nicht erschlossen. Aber hierzu sage ich ausführlich im Rahmen der Liebesbeziehung etwas. Auf jeden Fall geht es nach der Szene wieder weiter mit den stetigen Wechseln. Hier zwei Seiten im Wohnheim, dann drei in der Bibliothek, dann 5 beim Backen mit Freunden. Es war fast so, als wäre das alles nur wahlloses Verbundsmaterial, um zu den von der Autorin avisierten Schlüsselszenen zu kommen. Und hier lag der Fokus offenbar ganz massiv auf einen ganz bestimmten Trip der Protagonistin und des Unbekannten nach New York, das Drumherum und eine bestimmte Gala. Alles davon, alles danach wirkt willkürlich aneinandergereiht, ohne Tiefe, wird manchmal mit ausuferndem Drumherum garniert und gibt vor allem eins – sehr wenig Einblick in die Gedanken der Beteiligten. Sowieso erzählt nur Emma in diesem Buch, was den männlichen Protagonisten per se schon in den Schatten stellt. Doch selbst Emmas Erzählungen und Ausführungen waren platt, nichtssagend und oftmals auch sprunghaft. An so vielen Stellen war für mich nicht begreifbar, wieso die Beteiligten tun, was sie tun. Wieso Emma für den Unbekannten Gefühle entwickelt (den sie bereits nach gut zwei Dutzend Seiten trifft und er ihr direkt erstmal an den BH geht). Sowieso ist der Unbekannte ständig dabei, Emma zu küssen und sie zu begrabbeln, obwohl man sich noch nichtmal wirklich kennt. Eine solide Grundlage für eine nachvollziehbare Beziehung sieht anders aus. Hinzu kommt, dass Emma permanent ihre eigenen Gedanken über den Haufen wirft. Anfangs wird gebetsmühlenartig wiederholt, dass sie sich auf die Uni konzentrieren will und daher der Unbekannte tabu ist. Blöderweise stolpert sie gefühlt 5x überraschend in Situationen, wo er auftaucht und ihr hilft. Es verläuft jedes Mal nach Schema F. Hi, Anfassen/Kuss, Bye. Wer er ist, erfährt sie später durch einen blöden Zufall. Als Schwarm ihrer Mitbewohnerin Lara ist er dann für sie tabu, wird gebetsmühlenartig wiederholt. Hält sie sich natürlich nicht dran, zu verführerisch ist er. Und irgendwie landen sie dann auf einem Date, bei dem der Unbekannte so dick auffährt, dass es unfreiwillig komisch wirkte. Sollte vermutlich verdammt süß sein, wirkte aber nur so, als würde die fehlende Verbindung der beiden kaschiert werden. Da ist halt irgendwie eine interessante Anziehung, aber auf einmal ist es was Ernstes, Lara ist so semi-vergessen, man macht rum und ehe sich Emma versieht, ist sie nach New York eingeladen, zu einer riesigen Benefizgala. Standesgemäß holt der Junge natürlich den Helikopter raus, führt sie zum Pizzaessen und in eine edle Boutique aus, bevor man zur gigantischen Gala geht, wo sie fotografiert werden. Der Gedanke an Lara kommt Emma nicht, leider fällt ihr – wenig überraschend – das Fotografiere der Paparazzi dann auf die Füße. Es folgt ein Streit, der vor allem zeigt, wie instabil die Freundschaft zwischen ihr und Lara war. So ist es leider auch an alle Ecken und Enden. Als Emma plötzlich eine neue Freundin Abigall hat, mit der sie Kekse backt, fragte ich mich, wie schnell hier Bäumchen wechsel dich geht. In Krisenzeiten wiederum halten Emma und Lara – ohne sich jemals ausgesprochen zu haben – wieder zusammen. Gleiches gilt auch für Emma und den Unbekannten, der ihr hier und da eine Lüge aufgetischt hat und sie später kurzzeitig aus seinem Leben ausschließen muss. Zum Finale, dachte ich, kommt hier wenigstens etwas greifbarer Input, aber das suchte ich vergebens. Das Buch endet ohne jegliche Aussprache, jegliches Gefühl. Das fehlende Gefühl schlängelt sich durch das Buch. Nicht nur im Bezug auf die Liebesbeziehung, sondern etwa auch, wenn Emma von ihrem toten Bruder redet. Zwei Sätze, dann wird das Thema gewechselt. Diese ganzen Szenen- und Themensprünge waren anstrengend und enttäuschend. Kurios fand ich’s ich, dass sich immer wieder an bestimmten Sachen aufgehangen wird. Emma findet so beim Unbekannten eine Waffe, reimt sich ihren Quatsch zusammen und muss am Ende feststellen, dass alles ja ganz anders war. Obwohl sie – gebetsmühlenartig – sagt, er hat eine Waffe, ist ein Badboy und es gibt ja auch noch Drogengerüchte um ihn, hat sie nicht das Bedürfnis, sich von ihm fernzuhalten. Wenn man aber permanent die Protagonisten eines Buches nicht versteht und es beinahe so wirkt, als seien willkürliche Handlungsmomente zusammengefügt, kann das schnell zu Frust führen. Da haben auch die ewigen Zeitsprünge, die gefühlt eine Ewigkeit an Zeit vergehen lassen, ihren Anteil dran. Generell fand ich das Buch rückblickend recht handlungsarm. Die Liebesgeschichte war für mich von vorne bis hinten nicht greifbar. Ich kann ja noch verstehen, dass der Unbekannte es mochte, dass Emma ihn nicht erkannt hat. Dann überkamen ihn bereits nach wenigen Minuten seine Gefühle, er begrapscht sie und küsst sie, obwohl man kaum 3 Sätze miteinander gewechselt hat? Kein guter Start. So geht es immer weiter. Die beiden treffen sich zumeist zufällig, wechseln vielleicht ein paar Sätze, hin und wieder vielleicht mal einen Kuss und dann ist plötzlich von „ich liebe dich“ die Rede und von Eltern kennenlernen und das Einführen in die Gesellschaft, obwohl klar ist, dass dort Paparazzi sind? Es wirkte alles einfach nicht sonderlich durchdacht. Im Finale geht es dann auch darum, dass der Unbekannte sich zum Schutz von Emma zurückziehen muss, weil ihn seine Vergangenheit einholt. Wochenlang haben sie keinen Kontakt, aber als man sich wiedersieht, ist alles vergessen. The end. Nein, diese Liebesgeschichte kann nicht überzeugen. Sie bringt kaum etwas mit, arbeitet mit dem wenigen noch zu wenig und verläuft sich zu sehr in klischeehaften Aw-Momenten, die durch die mangelnde Bindung das Herz nicht erreichen können. Nachdem ich vor allem im ersten Drittel lange nach einem Flow gesucht habe, hatte ich gegen Hälfte des Buches kurzzeitig Hoffnung, dass es besser wird. Zwar war mir klar, dass die Liebelei nicht plötzlich logisch wird, aber zumindest das Drumherum hätte passend gemacht werden können. Doch leider wird hier dann richtig dick aufgetragen, vermeidbare Dramen ausgetragen und das Ganze noch wohldosiert mit ein wenig Intimität abgerundet. Unweigerlich zieht sich danach natürlich der Protagonist zurück, was Emma verzweifeln lässt. Die Auflösung hierfür – und der Weg, wie Emma es herausfindet – waren leider mehr als zweifelhaft. Die Vergangenheit des Unbekannten wird angekratzt und Emmas überraschend übergriffige distanzlose Tätigkeit, die zu ihren Erkenntnissen führt, war so schmerzhaft konstruiert, dass ich nur noch müde lachen konnte. In einem verzweifelt und wahnwitzig anmutenden Finale, bei dem man sich fragt, was eigentlich Emmas Intention war, geht es drunter und drüber – und nichts ergibt Sinn. Einer abschließenden Erklärung bleibt die Autorin am Ende zumindest für mich auch schuldig, auch wenn hier und da was angedeutet wird. Das Buch endet auch so abrupt, dass ich verwundert war. Immerhin hat gerade in der ersten Hälfte und phasenweise auch in der zweiten so viel Drumherum so viel Platz eingenommen, dass gerade für eine solide Aufklärung mehr Raum drin hätte sein sollen. So gehe ich frustriert, ohne Erklärungen und ohne jegliches Gefühl für die Lovestory aus dem Buch. Abschließend kann ich zu den Charakteren gar nicht so viel sagen. Emma ist blass, eindimensional und austauschbar. Ich habe kaum etwas über sie erfahren, konnte wenig in ihre Gedanken abtauchen und habe – abgesehen davon, dass sie offenbar gern Leute verurteilt (Emma ist vor allem im ersten Teil des Buches sehr damit beschäftigt, Leute um sie herum herabzuwerten, für ihre Art zu verurteilen und ihnen einen Stempel auszudrücken) und sich als reifer hält, nur weil sie keine Party besuchen will – wenig von ihr mitbekommen. Noch weniger wurde der Unbekannte beleuchtet, bei dem alle Klischees des typischen Badboys aufgetischt wurden, die dann gegen Ende demontiert wurden. Er ist ein guter Junge, der verdammt viel Geld hat und in der Vergangenheit viel falsch machte. Mehr weiß ich über ihn auch wieder nicht. Ansonsten gibt es noch die Mitbewohnerin Lara, die als typisches It-Girl genau das Gegenteil von Emma sein soll. Klischees, Stereotypen und Abziehbildchen von Collegefilmen soweit das Auge reicht. Mein Fazit Everything you are hätte sicher Potenzial gehabt, eine tolle Geschichte zu werden. Der Schreibstil der Autorin ist gut und auch die Grundidee hat mir gefallen. Doch leider ist das Buch beinahe eine wahllose Aneinanderreihung von Szenen, die dazu führten, dass ich keine Bindung zu den Charakteren aufbauen und somit bei der Geschichte nicht mitfiebern konnte. Bis auf minimale Ereignisse war die Geschichte recht vorhersehbar und das wenige Unvorhersehbare wirkte für mich einfach nur gewollt und konstruiert. Obwohl ich sowieso nicht mit riesigen Erwartungen an das Buch herangegangen bin, muss ich sagen, dass ich recht enttäuscht bin. Leider keine Empfehlung von mir. [Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]

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