buchgespenst
Als Lucy Maud Montgomery von ihrem Verleger um eine Autobiografie gebeten wurde war sie überrascht und hatte keine Ahnung, wie ihr langweiliges Leben auch nur einen Leser interessieren könnte. Sie mag keine aufregende Kindheit gehabt haben, aber gerade der Blick aus dem 21. Jahrhundert auf die Welt des 19. Jahrhunderts gibt der Lektüre heute noch mal eine Extraportion Flair. Doch auch für zeitgenössische Leser enthüllte sich in diesem schmalen Büchlein, wo Lucy Maud Montgomery die ganz besondere Atmosphäre für ihre Geschichten hernahm. Nur diese behütete und fast romantisch anmutende Kindheit auf dem ländlichen, dörflichen Prince-Edward-Island ermöglichte „Anne auf Green Gables“ und all die anderen traumhaften Werke, die uns diese besondere Autorin schenkte. Einige der komischen Szenen, die unvergessen geblieben sind, hat die Autorin selbst erlebt – wie den Rheuma-Kuchen – oder selbst ausgeheckt – so den Geisterwald, der so mit Spukgestalten bevölkert wurde, dass Anne sich nicht mehr hinein traute. So kurz die Autobiografie auch ist, sie gibt dem Leser doch tiefe Einblicke in die Geschichte von Lucy Maud Montgomerys Werk und die Kindheit in einer Zeit, die uns heute so weit weg erscheint. Dass die Autobiografie die gleiche Atmosphäre und den wunderbaren Erzählstil hat wie ihre erzählenden Werke muss kaum noch hervorgehoben werden. Das einzige, was mich ein bisschen gestört hat, waren die ausufernden Tagebucheinträge, die das letzte Drittel des Buches ausmachen. Einerseits interessant, andererseits hätte ich gerne mehr über ihr Leben nach ihrer Hochzeitsreise erfahren. Wer das Werk von Lucy Maud Montgomery liebt sollte sich die Autobiografie nicht entgehen lassen! Weder der merkwürdig anmutende Titel – der im Buch seiner Erklärung findet – noch der geringe Umfang darf den Leser abschrecken. Eine großartige Ergänzung ist ein Bildanhang von Andy Schindler. Durchgehend in Farbe werden hier Fotos von allen Orten präsentiert, die für die Biografie relevant sind. Gebäude und Landschaften, Zimmer im Farmhaus „Green Gables“ und vieles mehr.