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papierfliegerin

Posted on 4.8.2020

Ganz wie gewohnt splittete der Autor die Geschichte wieder in so einige Erzähl-Stränge; und jeder für sich hatte seine eigenen Protagonisten. Dementsprechend viele Hauptfiguren gilt es auseinander zu halten. Gerade zu Beginn fällt das noch extrem schwer und auch im Laufe der Geschichte verliert man immer wieder den Überblick. Dadurch, dass die Anzahl an wichtigen Personen in diesem dritten Band um ein vielfaches ansteigt, rücken Rowan und Citra dementsprechend in den Hintergrund. Es fällt schwer, sich wirklich über eine Entwicklung oder dergleichen zu äußern, denn obwohl beide Akteure weiterhin sympathisch sind und man problemlos mit ihnen mitfiebern kann, lässt sich nicht mehr der gewohnte Zugang zu ihnen finden. Die Treffen mit ihnen sind einfach zu rar um überhaupt noch sagen zu können, sie seien Protagonisten. Außerdem haben sowohl Citra als auch Rowan nur noch wenig mit den Figuren zu tun, die man in Band 1 kennenlernte. Damals empfand ich sie noch als sehr realistisch, greifbar und lebendig – in Band 3 hingegen erschienen sie mir wie eine höhere Macht, zu denen man kaum noch durchdringen kann als Normalsterblicher. So komme ich auch nicht umhin zu sagen, dass die in meinen Augen sehr stark nachgelassen haben – aber das könnte natürlich auch daran liegen, dass man plötzlich statt zwei, gleich (gefühlt) 15 Figuren begleitet. Es drängen sich andere Charaktere in den Vordergrund: so war es zum Beispiel Jerry und Grayson, die eine wesentlich größere Rolle spielen – und während wir Grayson bereits kennen, ist uns Jerry zu Beginn an noch fremd. Hier muss man allerdings zugeben, dass Neal Shusterman in Sachen Charaktergestaltung wieder einen wunderbaren Job macht. So sind es also gerade Personen wie Jerry, Grayson oder Loriana, die dieses Finale ausmachen. Einige andere Protagonisten brachten die nötige Undurchsichtigkeit mit, um Zweifel und Zwietracht zu erzeugen und die gesamte Story am Laufen zu halten. Denn während man in Band 1 noch sehr genau wusste, wer auf der guten, wer auf der bösen Seite steht, verschwimmen hier die Grenzen in einem Ausmaß, dass man sich nie sicher sein konnte, was die Absichten eines jeden einzelnen waren. Randfiguren gab es dafür recht wenige, doch die, die es gab, überzeugten größtenteils. Sie verfügten alle über den nötigen Tiefgang und genügend Greifbarkeit, um sie sich gut vor Augen führen zu können. Letztlich riss dies für mich das Ruder nicht mehr herum – es war schlicht zu viel von allem: von Charakteren, von „Seitenwechseln“ einiger, von Drama und von allgemeinem Input – aber dazu komme ich noch. Der Schreibstil unterscheidet sich hingegen kaum von den Vorgängern – sehr einnehmend und atmosphärisch erzählt der Autor von einer zukünftigen Welt, die immer mehr aus den Angeln gerückt wird. Neal Shusterman erzeugt mit bloßen Worten einen absolut greifbaren Actionfilm mit allerlei unterschiedlicher Bilder. Sein Erzähltempo ist extrem rasant, die Spannung stets auf höchstem Niveau gehalten und sein Worldbuilding ist nicht von dieser Welt. Hier glänzt der Autor wieder auf ganzer Linie und zeigt, dass er unglaubliches Talent – und eine irrsinnig raumgreifende Kreativität – hat. Gegliedert in zahlreiche, verschiedene Stränge, wechseln die Perspektiven stets zu den richtigen Momenten, um fiese Cliffhanger zu erzeugen und den Leser zu zwingen, am Ball zu bleiben. Außerdem gibt es wieder diese Passagen aus den Tagebücher alter, bereits verstorbener Scythe oder gar dem Thunderhead, was wunderbar passt und der Geschichte noch mehr Nachvollziehbarkeit einhaucht. Alles in allem perfekt erzählt und top unterteilt in kurze, aussagekräftige Kapitel voller Action, Spannung und Atmosphäre. Die Idee, wie der Autor die Geschichte rund um Citra und Rowan weiterführt ist definitiv überraschend. Das ganze Konstrukt der Handlung besteht aus unzähligen Twists, Nebenplots und unerwarteter Ereignisse. Schon zum Ende des zweiten Bandes hin, nahm die Storyline eine unvorhersehbare Wendung und exakt dieser Faden wird hier weitergeführt. Es ist also wieder von der ersten Seite an immens spannend gewesen und an Brillianz kaum zu überbieten. Allein das Worldbuilding und der Aufbau der Reihe haut einen regelrecht um. Immer neue Einfälle und Geschehnisse kommen ans Licht und obwohl die ganze Sache so komplex ist, ergibt doch alles stets einen Sinn und besitzt Hand und Fuß. Leider gefiel mir persönlich die Richtung nicht, in die die Geschichte ging. In meinen Augen sah es so aus, als würde Neal Shusterman viel zu viel in diesen einen letzten Band packen wollen – dann wäre es wohl klüger gewesen, doch noch einen vierten Band oben drauf zu setzen, ehe dann ein derartiges Labyrinth an Erzählsträngen entsteht. Denn genau so fühlte ich mich – wie in einem Irrgarten an roten Fäden. Und obwohl jeder Faden für sich allein problemlos zu verfolgen war, verlor ich immer wieder kurzzeitig den Überblick, welcher Charakter nun wo ist; welche Geschehnisse welche Charatere beeinflussen usw. Da hätte man mehr Klarheit schaffen sollen; mehr Durchblick für den Leser und die ein oder andere Figur weniger. So erschien mir so manche davon nämlich als ziemlich unnötig – denn auch wenn derjenige am Ende einiges für die Handlung tat, hätte man das ganze Chaos auch problemlos umschiffen können. Das Ende – das große Finale der genialen Scythe-Trilogie war dabei sehr ausgeweitet, nahm locker die letzten 100 Seiten des Buches in Anspruch und war actionreicher als alles, was man bisher erlebt hat innerhalb dieser Welt. Während ich den Schluss von Band 2 noch als Feuerwerk und fulminant bezeichnet hatte, empfand ich es hier eher als ein bisschen absurd und nicht als das, was ich mir vorgestellt und gewünscht hätte. Das ganze nahm sehr skurrile Züge an und hatte nicht mehr dieses typische Flair, was ich so vergöttert hatte. Außerdem schienen sich die Ereignisse derart zu überschlagen, dass man schlicht nicht mehr mitkommen konnte. Zu viel auf einmal – das ist einfach das, was dieses Finale wohl am besten beschreibt. Denn stellt man sich mal vor, dass die Charaktere ohnehin schon zu zahlreich innerhalb ihrer Erzählstränge waren, so hatte man am Ende, wenn alles zusammen läuft einen regelrechten Ameisenhaufen an Figuren, die alle irgendwas taten und entschieden, ohne dass dies großartig greifbar gewesen wäre. Sehr schade. FAZIT: „Scythe – Das Vermächtnis der Ältesten“ von Neal Shusterman ist, in meinen Augen, kein würdiges Finale für die geniale Trilogie. Hier herrschte zu viel Durcheinander und Chaos, um dem Ganzen problemlos folgen zu können. Viel angebrachter wäre da eher ein vierter Band gewesen, der die zahlreichen Plots aus Band 3 auffängt. Dies hätte zwar die Spannung wohl gemindert, doch in Anbetracht, dass es davon ohnehin immens viel gab, wäre das nicht weiter ins Gewicht gefallen. Zudem fehlten mir Citra und Rowan, denn obwohl die anwesend waren, erschienen sie viel zu selten auf der Bildfläche und verschwanden viel zu schnell wieder. Kurz um: der dritte und finale Band kann für mich längst nicht mit den Vorgängern mithalten, doch schlecht war er definitiv auch nicht. Eine tolle, actionreiche und rasante Entwicklung der Geschichte, massiv überraschende Plots und Ideen und ein Worldbuilding, das alle anderen blass aussehen lässt, vertröstet den Leser doch sehr. Aber eben nicht ganz.

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