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papierfliegerin

Posted on 4.8.2020

Laura Steven entschied sich dafür, diesen Roman in Form von Blogeinträgen zu erzählen. Kurze, knackige Posts animieren so immer wieder dazu, jedes Zeitgefühl zu vergessen und am Ball zu bleiben. Die einzelnen Kapitel sind durch die Angabe des entsprechenden Tages voneinander getrennt, innerhalb aber nochmal durch die verschiedenen Uhrzeiten, zu denen Izzy ihre Einträge veröffentlichte. In meinen Augen eine eher weniger gängige Art, eine Geschichte zu erzählen, doch im Großen und Ganzen mal eine gelungene Abwechslung und definitiv passend zur Thematik. Dabei schreibt die Autorin sehr jugendlich und einfach, nicht aber plump oder im Slang. Sie schafft es problemlos, Izzy eine Stimme zu geben und sie allein durch ihr Auftreten innerhalb des Blogs authentisch werden zu lassen. Laura Steven beherrscht es enorm gut, einen lockeren Lesefluss zu erzeugen, ohne dass die Message darunter zu leiden hätte. Sehr schön formuliert und noch schöner abgehandelt überzeugt der Schreibstil also auf ganzer Linie und die Gliederung noch mehr. Die Charaktere hingegen hatten es etwas schwieriger. Besonders zu Beginn herrscht eine gewisse Distanz, die stellenweise unüberbrückbar erschien. Zum Glück besserte sich das Verhältnis zu Izzy und Co und man findet nach und nach einen Draht zu den Figuren. Spätestens nach dem ersten Drittel waren meine Bedenken dann beinah völlig ausgemerzt. Warum nur beinah? Dazu kommen wir gleich. Izzy als Protagonistin ist taff, mutig und eigentlich ein völlig normaler Teenager. Sie bringt eine Menge Selbstvertrauen, Sturheit und Eigensinn mit ins Spiel, wirkt manchmal etwas naiv, manchmal etwas blauäugig, ist im großen und ganzen aber sympathisch. Sie ist eigentlich die ideale Besetzung für diesen Roman, denn sie geht mit ihrer Intimität sehr locker um. Dass ihr das irgendwann zum Verhängnis werden würde, ahnte sie bereits, doch mit diesem Ausmaß hatte sie, und auch ich, nicht gerechnet. Es fällt einem nicht schwer, mit ihr mitzuleiden und mitzufiebern; man wollte sie stets in Schutz nehmen und den anderen fast mit Gewalt die Augen öffnen. Nicht jede Entscheidung und nicht jeder Gedanke ist 100% authentisch oder nachvollziehbar, aber im Endeffekt war das auch nicht nötig, um mich bei Laune zu halten. Was mir allerdings, während der gesamten Geschichte ein Dorn im Auge, und das bezieht sich auf das oben erwähnte „beinah“: Izzy’s Humor. Leider erreichte mich der Witz einfach überhaupt nicht, sondern entlockte mir viel eher ein Stirnrunzeln, wenn nicht sogar ein Augenrollen. Es gab ein paar kleine Momente, in denen ich schmunzeln musste, doch die waren so rar gesäht, dass sie in der Masse schlicht untergingen. Wäre der Humor ein anderer gewesen, so hätte die Wirkung der Handlung eine ganz andere, noch viel intensivere und tiefere sein können. Aber man will ja schließlich nicht meckern. Nichts zu meckern gab’s auch in Bezug auf die Nebenfiguren. So war es Anjita, die einen mit ihrer Art einfach anstecken konnte. Spritzig, lebensfroh und eine durch und durch herzliche Persönlichkeit. Oder Danny, der den wohl größten Vielschichtigkeitsfaktor an den Tag legte. Bei ihm konnte man sich nie sicher sein, worauf er abzielt und was er mit seinem Tun bezweckt – das hat Laura Steven sehr schön herausgearbeitet. Alle anderen, wie Betty, Sharon usw. gefielen ebenfalls sehr gut und überzeugen. Das Grundgerüst der Geschichte weist schon von Hause aus einen gewissen Tiefgang auf. Die Message, die schon aus dem Klappentext hervorgeht äußerst wichtig und meiner Meinung nach eine Seltenheit. Umso schöner, dass sich Laura Steven der Thematik angenommen hat. Leider fühlte sich der Einstieg doch schwerer an, als erhofft. Alles beginnt etwas zäh und der skurile Humor macht es ebenfalls schwierig, sofort Fuß zu fassen. Doch gewöhnt man sich erst einmal an die Begebenheiten und die Erzählweise, wird es merklich besser. Die Geschichte nimmt an Fahrt auf, es wird zunehmend spannender und interessanter. Das Tempo wird angezogen und die Plots beginnen allmählich damit, zu schockieren. „Speak Up“ öffnet einem die Augen, zeigt mit ausgestrecktem Finger auf die Probleme in der Gesellschaft und nimmt kein Blatt vor den Mund. Laura Steven behandelt hier ein Tabu-Thema und schafft es mit Leichtigkeit die entsprechenden Messages auszudrücken. Nie, wirklich niemals hätte ich damit gerechnet, dass mich das Buch, nach dem eher holprigen Start, noch dermaßen mitreißen und in seinen Bann ziehen kann. Durch die ganze Lebendigkeit, die hier herrscht, fühlt man sich oft unwohl in der eigenen Haut – nicht zuletzt auch weil man die Augen bisher ungewollt verschlossen hat. Die ganze Handlung spitzt sich immer weiter zu, wird rasanter und die ganzen Nebeneinflüsse, die hier verbaut sind, rücken immer weiter in den Vordergrund. Denn neben den offensichtlichen Themen, wie Sexismus und Feminismus kommt zusätzlich noch Rassismus, Mobbing, Cyber-Kriminalität und noch einiges mehr ans Licht. Man kann nicht glauben, wie sich alles entwickelt, doch es ist, wenn man mal genau darüber nachdenkt, schlicht Alltag. Für mich hat Laura Steven hier beinah ein Meisterwerk geschaffen, das noch ganz viel mehr Aufmerksamkeit verdient hat. Denn sie hat auch Izzy als Protagonistin so handeln lassen, wie es ein Opfer nun einmal tun würde. Im ersten Moment wehrt sie sich nicht, lässt sich so einiges gefallen und auch wenn dabei ihr Krönchen nicht fällt, tut es weh, das alles zu beobachten. Das große Finale und die damit einhergehende Auflösung setzen dem Ganzen nochmal ein oben drauf und vermitteln ganz klare Botschaften! Ein rund herum gelungenes Buch darüber, wie ein einziger Fehltritt einer Frau ihr ganzes Leben zunichte machen kann – während der Mann ungeschoren und ohne mit Vorwürfen bombadiert zu werden, davon kommt. Sehr sauber ausgearbeitet, insziniert und dargestellt und dafür gebührt der Autorin ein riesiges Lob und jede erdenklich Anerkennung! FAZIT: „Speak Up“ von Laura Steven ist ein außergewöhnlicher Jugendroman, der sich mit einer Thematik beschäftigt, die viel zu selten angesprochen wird. Durch Izzy vermittelt uns die Autorin in was für einer Welt wir eigentlich leben und öffnet uns Lesern nach und nach die Augen. Auch wenn mir der Humor innerhalb des Buches und der Einstieg ins Geschehen nicht 100% zusagten, möchte ich dennoch, dass dieses Buch ganz viel mehr Aufmerksamkeit erhält und möglichst viel und oft gelesen – und vielleicht auch im Netz gezeigt und rezensiert wird. Von mir gibt’s ne klare Lese-Empfehlung, weil dieses Buch einfach unglaublich wichtig ist. Fürs Highlight gab’s letztlich zu viel Kritik, aber 4 starke Sterne für den Mut und das Können von Laura Steven.

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