papierfliegerin
Der Schreibstil von Simon Beckett ist äußerst angenehm, atmosphärisch und packend. Schon in den ersten Minuten fühlt man den Sog, den die Worte des Autors erzeugen, und sich dem zu verweigern, ist schlicht nicht machbar. Mittels eines einfachen, bodenständigen und flüssigen Erzählstil fällt es dem Leser leicht, sich zurecht zu finden und ab zu tauchen. Man kommt, ohne Hürden, wunderbar leicht voran und hat stets ein klares Bild der Geschehnisse vor Augen. Dabei werden fachliche Informationen rund um das Thema Forensik, ganz nebenbei in die Geschichte eingewoben, sodass man zwar durchweg etwas lernt, sich aber nicht daran aufhalten muss. Selbst die Polizei-Arbeit bzw. die Ermittlungen sind sehr treffend verpackt, sodass die Spannung nicht darunter zu leiden hat. Johannes Steck als Sprecher überzeugt aber mindestens genau so. Er variiert in den Tonlagen, kann sowohl die ruhigen wie auch die action,- und spannungsgeladenen Passagen sehr schön wiedergeben und begeistert durch eine klare, deutliche Aussprache voller Atmosphäre. Hin und wieder zwang sich mir allerdings der Gedanke auf, dass es stellenweise doch etwas „to much“ wirkt, wie laut und energisch gesprochen wird – aber es passte dennoch irgendwie immer zur Situation. Bei den Charakteren wurde dagegen wieder alles richtig gemacht. Unser Protagonist David Hunter ist tiefgründig und detaillreich, sympathisch und äußerst interessant. Obwohl man als forensischer Athropologe sicher abgehärtet sein muss, überzeugt er durch seine Bodenständigkeit und Normalität. Er wirkt, als habe er schon alles gesehen, doch gleichzeitig erscheint er nicht abgebrüht oder kalt. Simon Beckett hat den Protagonisten enorm gut getroffen und mit ihm eine Figur geschaffen, mit der man gern miträtselt, mitfiebert und mitleidet. David Hunter verfügt über ein gesundes Maß an Neugierde und Ehrgeiz, seine Entscheidungen sind stets nachvollziehbar und glaubhaft und sein ganzes Auftreten versprüht Charisma und Autorität. Dabei verlief sein bisheriges Leben alles andere als leicht, und trotzdem wurde der Mann nicht von seiner Vergangenheit und den Erlebnissen gebrochen. Kurz um: David Hunter ist die ideale Besetzung für diesen Thriller. Mit ihm schickt der Autor einen Charakter ins Rennen, der nicht nur passt, sondern den Leser auch neugierig macht. Er bringt schlicht etwas mit, was man noch nicht kennt – denn mal ehrlich; wer hat sich denn jemals mit forensischer Anthropologie beschäftigt? Doch auch die anderen Figuren sind interessant und vielschichtig. Selbst vom unwichtigsten Polizisten konnte man sich ein klares Bild machen. Besonders positiv fällt einem dabei auch auf, wie gut der Autor das Dorfleben getroffen hat. Von der netten Großmutter, die absolut alles sieht und hört bishin zu den Rabauken, Unruhestiftern und Besserwissern ist alles vertreten. Das hübsche Mädchen spielt dabei übrigens auch eine tragendere Rolle, als es auf den ersten Blick den Anschein macht. Es gab sowohl die sympathischen Beteiligten, wie auch die, die einen auf die Palme treiben. Das spannende war dagegen rauszufinden, wer sich den Platz im eigenen Herzen einfach verdient hatte – und wer mehr Schein als Sein war. Simon Beckett konnte mich das ein oder andere Mal ordentlich hinters Licht führen – und wäre ich einer der Charaktere in diesem Buch, wäre ich wohl längst tot; und das macht es so besonders. Die Idee, die forensische Anthropologie in einen Thriller einzubauen, ist einfach genial. Es ist allein dadurch derart interessant, dass die Geschichte rein theoretisch auch sterbenslangweilig sein könnte – man hätte trotzdem Freude beim Lesen. Doch dadurch, dass eben auch die Handlung an sich nur so vor Spannung strotzt, wird das Buch zu einem wahren Pageturner. Schon während des Einstiegs entsteht eine einnehmende Atmosphäre und der Fund der ersten Leiche, lässt nicht lange auf sich warten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt nimmt die Story dann an Fahrt auf und wird zunehmend rasanter. Zusätzlich dazu bietet der Aufbau jede Menge Spielraum für eigene Überlegungen und Ermittlungen. Man rätselt mit, will unbedingt so schnell wie möglich erfahren, wer der Täter ist und jedes Mal, wenn man meint, die ganze Sache durchschaut zu haben, dreht der Wind und man fängt von Null an. Abwechslung kommt in Form von unterschiedlichen Geschehnissen ins Spiel – denn neben der Ermittlung der Polizei, die wirklich einen Großteil des Buches einnimmt, durchleben wir auch die eigenen Nachforschungen und Gedankengänge des Protagonisten. Außerdem, wie oben schon angeteasert, spielt sogar eine kleine Liebesgeschichte eine Rolle – wenn auch nur am Rande, um den Spannungsbogen nicht zu schwächen. Gen Ende wird alles noch einmal dramatisch, voller Action, Spannung und überraschenden Wendungen. Von Aufbau her unterscheidet sich dieser Thriller also erstmal nicht von den vielen anderen auf dem Marktl, doch die Umsetzung von Simon Beckett ist und bleibt einzigartig. Düster und drückend, actionreich und spannend – so lässt sich dieses Lese-Erlebnis wohl am Besten beschreiben. Das Finale dieses ersten Bandes lässt so viel Raum für weitere Wege, die die Reihe nun einschlagen kann und es ist unausweichlich, dass man sich sofort wieder an David Hunter’s Seite begeben möchte, um den nächsten Fall mit ihm zu lösen. Zugegeben, für ein Highlight reicht es heute nicht mehr, doch die Vorfreude auf „Kalte Asche“ ist deswegen nicht minder groß. FAZIT: „Die Chemie des Todes“ von Simon Beckett ist zwar schon vor etlichen Jahren erschienen und deswegen doch recht „alt“, weiß aber auch heute immer noch komplett zu begeistern. Eine spannungsgeladene, wendungsreiche Storyline in Kombination mit vielschichtigen, interessanten Charakteren und einer ganz ungewöhnlichen Grund-Thematik ergibt einen Thriller, den alle Fans des Genres unbedingt gelesen haben sollten. Das undurchschaubare Ende, das fulminant und atemlos dargestellt wurde, rundet das Buch schließlich ab. Wie gesagt, reicht es nicht ganz fürs Highlight, wahrscheinlich, weil ich die Storyline eben schon kannte – aber dennoch immer wieder ein Genuss, diesen Autor zu lesen.