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mrstrikehardt

Posted on 2.8.2020

Seit langem steht dieses Buch bei mir im Regal - wahrscheinlich hatte ich eine zähe Lektüre erwartet und mich deshalb gescheut. Das Gegenteil ist der Fall, Uwe Johnson und Manfred Bierwisch haben eine verständliche geradezu schmissige Prosaübersetzung hingelegt. Der Inhalt war mir bruchstückhaft bekannt und wie bei einem „Heldenepos“ nicht anders zu erwarten, geht es hauptsächlich um ausschweifende Feste und mörderischen Schlachten (das Gemetzel am Ende und die damit verbundene Grausamkeit ist kaum mehr von „Herr der Ringe“ oder irgendwelchen Splatterfilmen zu toppen). Dies in Gänze zu lesen, zeigt aber den Irrsinn des unbedingten Gehorsams (Johnson spricht im Nachwort von der „absoluten Ausprägung der Gefolgschaftsidee“). Die Intrigen und Verrate bleiben nicht aus bzw. gehören untrennbar dazu, sie sind die zweite Seite der Medaille. Interessant fand ich einen literarischen Kniff: Inmitten der Schilderung von Ehrerbietung und Festlichkeiten - kurz scheinbar harmlosen Szenen - kam ein Satz, der das Ganze ins Gegenteil verkehrte bzw. Böses prophezeite. Es sind Sätze wie „So diente Sifrit ihm; wofür ihm Gunther später doch so übel lohnte.“, „Dort empfingen sie viele, denen sie später Unglück brachten.“ oder „Sie dachten alle nicht, so schlimmes Unglück zu erleben. Fröhlich kamen sie angeritten.“ So kann man auch seine Leser- bzw. Zuhörerschaft locken. Im Nachwort referiert Uwe Johnson (etwas sehr dozentenmäßig) über die Literaturgeschichte. Das Lied wurde vermutlich von einem namenlosen Österreicher, der wiederum frühere Versionen amalgamiert hat, im 12. Jahrhundert geschrieben. Zum Teil der Überlieferung verpflichtet zum Teil den Gegebenheiten seiner Zeit bleiben Logikfehler und Zeitverschiebungen nicht aus. Witzig ist der Umstand, wie der Autor die Rolle der Spielmänner erhöht, um so wahrscheinlich seine Zunft und sich selbst zu erhöhen. An einer Stelle während eines Kampfes heißt es „… und Volker ging durch den Saal, geigend mit seinem Schwert.“ Manfred Bierwisch geht in einem Essay auf die verzwickte Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte in der DDR ein, da Uwe Johnson - aufgrund seiner Übersiedlung in die BRD zur persona non grata erhoben wurde, durfte sein Name lange Zeit nicht als Übersetzer geführt werden.

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