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SternchenBlau

Posted on 31.7.2020

Durch Raum und Zeit Pflanzen sind zwar verwurzelt, aber nicht unbeweglich, sondern sie reisen durch Raum und Zeit. Und diesen Gedanken schreibt Stefano Mancuso so wundervoll und poetisch in diesem Buch, dass mir das Herz aufgegangen ist. Mancuso zeigt Pflanzen als Pioniere, Kämpfer und Heimkehrer, Flüchtlinge und Eroberer, Mutige Kapitäne, Zeitreisende, Einsiedler und Anachronisten. Wenn es um Biodiversität geht, sind uns Säugetiere wohl immer am nächsten, langsam folgen auch die Insekten, dass wir uns um sie Gedanken machen. Hier bei Mancuso bekommen sie ein Gesicht und Geschichten, die uns nur staunen lassen können. Und auch Menschen und Forschende bekommen voller Respekt ihren Platz in diesem wundervollen Buch. Richtig ergriffen war ich, wie der Autor von der Begegnung mit den „Hibaku jomoku“, den Heimkehrern von Hiroshima erzählt, was in etwas bedeutet „der Bombe ausgesetzte“. Samen verlieren auch nach über 2.000 Jahren ihre Keimfähigkeit nicht und die White Mountains gibt es eine Kiefer, die über 5.000 Jahre alt ist. Noch nicht alt genug? „Hinzu kommen große zusammenhängende Organismen wie Pando, eine 43 Hektar umfassende Klonkolonie der Amerikanischen Zitterpappel (Populus tremuloides) in Utah, die aus einem einzigen, seit über 80 000 Jahren existierenden genetischen Individuum besteht.“ Während Mancuso von der enormen Lebenskraft von Pflanzen erzählt, wird auch quasi nebenbei deutlich, wie sehr der Mensch schon seit Jahrhunderten, ja Jahrtausenden in deren Leben eingreift. Viele Pflanzen konnten sich erst durch die Reisetätigkeiten der Menschen verbreiten, viele Pflanzen starben durch den Menschen aus. „In der Natur ist alles miteinander verbunden. Dessen ungeachtet, scheint der Mensch diesen simplen Grundsatz nicht zu verstehen, und das tiefgreifende Konsequenzen.“ Die Akazie von Ténéré war über drei Jahrhunderte lang war sie ein wichtiger Orientierungspunkt für die Salzkarawanen in der Sandwüste im Norden des Niger. Obwohl sie vollende isoliert steht, wurde sie gleich zwei Mal von Lastwägen angefahren. Der zweite Unfall kostete ihr das Leben. Die Aquarelle von Grisha Fischer ergänzen dieses Kleinod kogenial. Ich muss gestehen, dass ich die stilisierten Landkarten, die zum Teil Blätter als Landmassen zeigen, kann ich zwar nicht komplett dechiffrieren, dafür laden sie mich umso mehr zum Träumen ein. Der einzige Wehrmutstropfen bei diesem Buch ist für mich, dass ich den Umgang mit den Kolonialgeschichte. Das Brennglas auf diese Thema setzt der Autor selbst, wenn er in der Einleitung zum ersten Kapitel über Pioniere in einer fast kindliche Begeisterung über den wilden Westen schwelgt. Auch, wenn er später explizit dann darauf eingeht, wie schlimm die Kolonialisierung war, aber die Schilderung der Forschenden für die East Indian Company und andere ist halt auch immer mit einem schwelgendem Blick. Viele der vorgestellten Forschenden sind außerdem Männer. Fazit Ein wundervolles Buch über Pflanzen und ihre Reisen durch Raum und Zeit. 4 Sterne.

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