Susanne Matiaschek
Als ich “Ich will dein Leben” gesehen hab, wusste ich, ich muss es lesen. Es hörte sich so richtig schön düster und abgründig an. Also genau meins. Tatsächlich muss ich aber sagen, dass der Titel nicht wirklich passt. Viel mehr hätte er, “Das Haus auf der Klippe” heißen müssen. Denn bei mir wurden völlig falsche Erwartungen geweckt, was den Verlauf und den Grundkern der Story angeht. Die Story selbst lebt mehr von der Vergangenheit, als der Gegenwart. Denn überwiegend befinden wir uns im Jahr 1986. Dem Jahr, als alles seinen Lauf nahm. Dem Zeitpunkt, als sich alles für Tamsyn veränderte. Die Charaktere, ich kann es nicht anders sagen. Wurden einfach verdammt gut ausgearbeitet. Man mag nicht jeden und das muss man auch nicht. Sie werden mit viel Liebe zum Detail gezeichnet. Ihr Innerstes wird nach Außen gekehrt. Immer mehr bröckelt die mühsam errichtete Fassade und zutage kommen immer mehr Risse und Makel. Dadurch das man hier verschiedene Perspektiven erfährt, erhalten sie sehr viel Raum und Tiefe. Im Vordergrund steht dennoch in erster Linie Tamsyn und ihr Leben. Besonders Tamsyn fand ich enorm faszinierend. Sie ist nicht unbedingt sympathisch. Eher seltsam, verletzlich ,unbeugsam, immer mit klarem Ziel vor Augen. Einerseits möchte man sie wahnsinnig gern beschützen, aber auf der anderen Seite entwickelt sie ungesunde Züge, die gespenstisch und verstörend sind. Die Unheil heraufbeschwören und die zugleich zeigen, in welche Abwärtsspirale dies münden kann. Man sieht den Aufprall kommen und wartet nur auf welch Art und Weise die Kollision zustande kommt. Denn das sie kommt, ist unausweichlich. Den Schreibstil der Autorin mochte ich dabei gern. Sehr einnehmend, fesselnd und bildhaft. Es ist kein rasanter Psychothriller. Viel mehr wird hier die Spannung unterschwellig aufgebaut. Der Fokus liegt dabei auf den Charakteren und ihrer Verbindung untereinander. Dabei prallen hier Welten aufeinander. Was nicht unbedingt am Wohlstand zu messen ist. Die Autorin hat es vor allem auf der psychologischen Ebene unglaublich gut ausgebaut. Man ist erschüttert, sprachlos. Aber zugleich auch ungeheuer gefesselt. Denn sie zeigt, was ein Trauma für Folgen haben kann. Folgen, die man nicht abschätzen und kommen sehen kann. Man sitzt wie auf einem Pulverfass, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Einiges war vorhersehbar, anderes wiederum nicht. Ich hab vor allem unglaublich mit Angie mitgelitten. Sie steht für Stärke und Mut. Sie kämpft mit ihrer Trauer, aber muss zugleich auch nach vorne schauen und ihr eigenes Glück finden. Ein Drahtseilakt, der nicht unbedingt leicht ist. Denn es geht nicht nur um sie, sondern auch um ihre Kinder. Und dann sind da noch die Davenports. Wo mehr Schein, als Sein herrscht. Unterkühlt, fast fremd und man fragt sich einfach, wo das Bindeglied ist. Was sie wirklich fühlen. Hier geht es vor allem um Liebe und Glück. Etwas das nicht so leicht zu definieren ist. Dabei ist das Facettenreichtum erstaunlich groß, was ich einfach großartig fand. Die Autorin legt dabei sehr viel zwischen den Zeilen hinein. Es wird manipuliert, intrigiert und bei Gott, es gibt niemand der frei von Schuld ist und trotzdem ist da so viel Unschuld und Verletzlichkeit. Es hat mich nicht losgelassen. Keine Sekunde. Es hat in mir geschwelt, zum sinnieren gebracht. Ich hab getanzt auf dem Vulkan und der große Knall kam. Anders und nicht so kraftvoll wie erhofft. Weniger intensiv, aber dennoch voller Ausdruck und Durchschlagskraft. Die große Dramatik, kam so schnell und war für mich auch viel zu kurz. Man hätte es noch mehr ausbauen können. Denn wie sich alles entwickelt ist beachtlich und lässt nicht kalt. Letztendlich bin ich von der Tragik dahinter ungeheuer vereinnahmt und einfach fasziniert. Es erschüttert, ist beängstigend und zugleich zieht es eine große Traurigkeit und Einsamkeit nach sich. Es geht hier vor allem um Obsession und wie sehr dies den eigentlichen Menschen verändern kann und wie dies auch das Umfeld beeinflussen kann. Dabei gibt es nicht einfach nur schwarz oder weiß. Es gibt nicht Opfer oder Täter. Es gibt einfach Momente, die in der Seele wehtun und einfach so weh tun, das man am liebsten schreien und weglaufen möchte. Man weiß nicht wohin mit seiner Wut und den ganzen Emotionen. Es ist einfach ein Roman, der gänzlich anders war, als erwartet, der mir am Ende etwas zu positiv war in einigen Dingen. Wer sich gern mit Schicksalen und Charakteren auseinandersetzt, ist hier definitiv an der richtigen Adresse. Fazit: Ich will dein Leben” ist viel mehr “Das Haus auf der Klippe”. Ein erschütternder, verstörender und zugleich sehr bewegender Roman, der sehr viel Tragik und Einsamkeit in sich vereint. Keine leichte Kost. Denn dafür wiegt es zu schwer, zu intensiv. Besonders auf der psychologischen Ebene konnte mich die Autorin absolut begeistern. Denn was sie hier herausgeholt hat, ist absolut fantastisch. Dennoch bin ich nicht ganz zufrieden. Was aber nicht daran liegt, dass es völlig anders war, als erwartet. Lasst diesen Roman wirken. Denn er gibt auch enorm viel zwischen den Zeilen mit.