zauberberggast
Ich mag historische Romane, bei deren Lektüre man etwas lernt. In "Saale Premium, Stürme über dem Weinschloss", erster Teil einer Trilogie, lernt man "im Vorbeilesen" einiges über Önologie (Weinbaukunde) und Sektherstellung. Auch die Geschichte des Champagners, die ja sehr von Frauen geprägt wurde - man denke nur an die berühmteste “Champagnerwitwe” Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin - wird dem Leser in diesem Buch nahegebracht. Ein historischer Roman soll natürlich möglichst genau die Zeit abbilden, in der sich die Handlung abspielt. Der Autorin gelingt das meines Erachtens ganz gut, indem sie uns erzählerisch zahlreiche Alltagsfakten vermittelt. So erfährt der Leser, welche Kleidung in Mode war, welche Bücher gelesen wurden und auch, was 1890 u.a. ein Liter Milch oder deutscher Wein gekostet hat (20-25 Pfennige bzw. 1,80 Mark). Wir lernen in diesem ersten Teil der "Weinschloss-Trilogie" die junge Aenne aus der nördlichsten Weinbauregion Europas, Saale-Unstrut, kennen. Als Tochter eines Winzers und Hoteliers soll sie ebenfalls einen Weinbauer ehelichen. Doch Aenne möchte sich erstmal ausleben - lesen, schreiben, etwas über Sekt und Champagner lernen, reisen. Durch ihre Anstellung bei der Sektkellerei Kloss & Foerster scheinen alle ihre Wünsche in Erfüllung zu gehen. Doch als sich Aenne in den Werbefachmann bzw. "Reklameheini" (so nennt ihn ihr Vater) Clemens Volk verliebt, stößt sie auf Widerstand bei ihrer Familie. Siegt die Liebe oder soll sie ihr Glück lieber als Frau eines der Nimmrod-Brüder vom Weinschloss suchen, wie ihre Schwester Bettina? Der Roman hat ein hohes Erzähltempo, die Erzählung macht oft große Sprünge. Demnach gibt es hier sehr oft mehr "tell" (erzählen) als "show" (zeigen), was ja eigentlich in einem guten Roman nicht sein sollte. Auch die Handlung ist sehr melodramatisch und erinnert an eine Seifenoper im TV. Die Protagonistin "darf" ihre Liebe nicht leben, sie kann sich nicht zu ihrem Clemens bekennen - selbst als alle Hindernisse aus dem Weg geräumt worden sind - und als Leser fragt man sich: Warum eigentlich? Na, weil es dann nicht mehr so dramatisch wäre, ist doch klar. Auch sonst passieren sehr viele aufwühlende Dinge, ein Schicksalsschlag jagt den nächsten. Nichts gegen eine gute Seifenoper, aber man sollte eben auch nicht zu viel davon erwarten. Ausdifferenzierte, tiefgründige oder gar vielschichtige Charaktere findet man in diesem Buch nicht. Das Buch ist leidlich unterhaltsam, informativ und recht kurzweilig, keine Frage. Aber es ist eben kein anspruchsvoller historischer Roman, sondern leichte Sommerunterhaltung für den Liegestuhl, die man auch schnell wieder vergisst.