Profilbild von kimvi

kimvi

Posted on 22.7.2020

1939 lebt Rill Foss mit ihren Eltern und vier Geschwistern auf einem Hausboot. Die Mutter ist hochschwanger. Als es bei der Geburt zu Komplikationen kommt, müssen die Eltern ein Krankenhaus aufsuchen und ihre fünf Kinder allein auf dem Boot zurücklassen. Diesen Umstand nutzen skrupellose Menschen für ihre Zwecke aus. Denn sie geben sich als Beamte aus und erzählen den Kindern, dass sie kurzzeitig in einem Waisenhaus der Tennessee Children's Home Society untergebracht und dort von ihren Eltern abgeholt werden, sobald es der Mutter wieder besser geht. Rill hat ihren Eltern versprochen, gut auf ihre Geschwister aufzupassen. Doch die Ereignisse, die im Waisenhaus ihren Lauf nehmen, machen es Rill schwer, dieses Versprechen auch einzuhalten. Sie sind eng verknüpft mit dem Schicksal von Avery Stafford, die in einer angesehenen Familie aufgewachsen ist und 70 Jahre nach den Ereignissen auf dem Hausboot plötzlich mit einem Geheimnis aus der Vergangenheit konfrontiert wird.... Dieser Roman beruht auf wahren Begebenheiten, auch wenn die Familie Foss und ihr Schicksal, der Fantasie der Autorin entsprungen sind. Das Heim, in dem die Kinder in diesem Roman untergebracht werden, ist ebenfalls fiktiv, dennoch hätte sich dieses Familienschicksal so zutragen können, da die Tennessee Children's Home Society zwischen den Zwanziger- und Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zahlreiche Kinder ihren leiblichen Familien entrissen hat, um sie in ihren Heimen unterzubringen und an zahlungskräftige Adoptiveltern zu vermitteln. Die Geschichte wird in unterschiedlichen Handlungssträngen erzählt, die parallel verlaufen, um sich am Ende zu verknüpfen. In der Vergangenheit beobachtet man Rill Foss und erlebt hautnah das Leben auf dem Hausboot, die Verschleppung und all die schicksalhaften Ereignisse mit, die sich im Waisenhaus ereignen. Dieser Handlungsstrang startet 1939 und wird in der Ich-Form, aus Rills Sicht, geschildert, sodass man in ihre Gedanken und Gefühle eintauchen kann und manchmal nicht glauben mag, was man dort liest. Denn was damals unter dem Deckmantel der Fürsorge geschehen ist, ist einfach unglaublich. Rills verzweifelte Versuche, ihre Geschwister zu beschützen, werden glaubhaft dargestellt. Der zweite Handlungsstrang ist in der Gegenwart angesiedelt. Hier beobachtet man Avery Stafford, die sich, ausgelöst durch eine geheimnisvolle Begegnung in einem Altenheim, auf eine Reise in die Vergangenheit ihrer Großmutter begibt. In dieser Perspektive wird ebenfalls die Ich-Form, allerdings aus der Sicht von Avery, verwendet. Beide Erzählstränge sind durchgehend interessant. Die Protagonisten wirken sympathisch, sodass man sich sofort auf sie einlassen kann und das Geschehen gespannt verfolgt. Der Schreibstil ist flüssig und sehr angenehm lesbar. Die Autorin versteht es hervorragend, Protagonisten und Handlungsorte so zu beschreiben, dass man alles lebhaft vor Augen hat. In Rills Erzählungen fiebert man mit ihr mit und verfolgt entsetzt die damaligen Ereignisse. Dieser Handlungsstrang ist so interessant, dass man sich kaum vom Gelesenen lösen mag. Doch auch in Averys Schilderungen kommt keine Langeweile auf. Denn ihre Nachforschungen sind ebenfalls interessant und man kann ihren Zwiespalt, zu ihrer Familie zu stehen und keinesfalls einen Skandal zu riskieren, mühelos nachvollziehen. Ich habe mich beim Lesen dieses Romans sehr gut unterhalten. Da ich vorher noch nie etwas von den Machenschaften der Tennessee Children's Home Society gehört hatte, mochte ich manchmal kaum glauben, was ich dort las. Die Geschichte hat mich von Anfang an in ihren Bann gezogen und mich bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Deshalb vergebe ich auf meiner persönlichen Bewertungsskala auch alle fünf Sternchen und eine klare Leseempfehlung.

zurück nach oben