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mrstrikehardt

Posted on 21.7.2020

Auch wenn der Roman über eine Handlung verfügt, kommt diese ohne besondere Plottwists oder dramatischen Spannungsbogen aus. Im Vordergrund steht Alma und ihre Familie - deren Mitglieder (Eltern, Großeltern, Ehemann Friedrich oder Sohn Emil) abwechselnd porträtiert werden. Alle haben einen weg und leiden in der einen oder anderen Form. Sohn Emil zum Beispiel, der aufgrund eines fehlenden Gens keinen Schmerz empfindet. Dies wird jedoch nicht bereits im ersten Kapitel erzählt und dann als Leitmotiv groß aufgehangen. Nein, die Autorin Valerie Fritsch erzählt die Geschichte geradezu beiläufig (sie verzichtet gänzlich auf Dialoge und wörtliche Rede). Trotzdem steckt in ihr Dramatik und gleichzeitig Leichtigkeit. Dank ihres (schrägen) Einfallsreichtums und ihrem Blick für Details schafft es Fritsch, die Verstrickungen und das Komplizierte einer Familie zu schildern und dabei große Themen aufzugreifen. Wie wirkt sich der Krieg, auch wenn er in der Welt vorbei ist, aber in den Köpfen weitergeht, auf die Kinder und Kinderskinder aus? Wie viel Schmerz macht einen Menschen aus? Ist Schweigen eine eigene Form der Sprache? In einer leichtfüßigen, ein Stück weit phantastischen Erzählweise nimmt sich Fritsch den Protagonisten an und zeigt deren Sichtweise auf die Welt. Die dabei gebrauchten Metaphern und Vergleiche haben mich immer wieder staunen lassen, weil hier auch Funken der Erkenntnis geschlagen wurden. Lediglich das vorletzte Kapitel - eine Art Roadtrip von Österreich nach Kasachstan - ist für mich das schwächste gewesen, weil es erstaunlich losgelöst zu den anderen stand und mehr beschrieb als erzählte. Trotz dieser kleinen Einschränkung ist das Buch eins meiner Lektüre-Highlights in diesem Jahr bisher.

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