auserlesenes
Vor knapp 15 Jahren musste die Familie Yacoub die geliebte Villa in ihrer Heimat Jaffa verlassen. In Nablus haben die Palästinenserin Salma, ihr Mann Hussam, ihre Töchter Wadid und Alia sowie Sohn Mustafa zwar einen neuen Platz gefunden. Das Haus bleibt der Mutter allerdings stets fremd. Anders ergeht es Alia, die sich mit dem neuen Zuhause verbunden fühlt. Doch der Kaffeesatz sagt ihr ebenfalls ein unruhiges, schwieriges Leben voraus. Und so kommt es tatsächlich: Auch die zweite Generation der Familie wird in alle Winde verstreut. Alia hasst ihr neues, beengtes Leben und durchlebt wie ihre Mutter die Sehnsucht nach der Heimat. Auch ihre Kinder, die dritte Generation, müssen erst noch ihren Platz im Leben finden. „Häuser aus Sand“ von Hala Alyan ist ein beeindruckender Roman über eine entwurzelte Familie, über Generationenkonflikte und einiges mehr. Meine Meinung: Der Roman besteht aus 13 Kapiteln, die abwechselnd aus der Sicht von Salma, Mustafa, Alia, Riham, Atef, Souad, Linah und Manar im Präsens erzählt werden. Darüber hinaus gibt es einen Epilog. Zwischen den Kapiteln liegen immer wieder größere Zeitsprünge, innerhalb der Abschnitte sind einige Rückblenden im Präteritum eingefügt. Insgesamt deckt der Roman den Zeitraum von 1963 bis 2014 ab. Auch die Schauplätze variieren. Sie reichen von Jaffa und Nablus über Kuwait bis Boston, Paris und Beirut. Dieser Aufbau gefällt mir sehr gut. Er erfordert beim Lesen einiges an Aufmerksamkeit, was mich allerdings nicht gestört hat. Der Schreibstil ist angenehm, anschaulich und einfühlsam. Viele Details und lebhafte Beschreibungen sowie die eindringliche Sprache mit starken Bildern konnten mich begeistern. Im Fokus der Geschichte steht Alia. Durch die Perspektivwechsel lernt der Leser jedoch auch die anderen Personen gut kennen, so dass es mir gelang, mich in die unterschiedlichen Sichtweisen hineinversetzen zu können. Die Charaktere wirken vielschichtig und authentisch. Inhaltlich hat der Roman nicht nur eine komplexe Familiengeschichte vor größtenteils orientalischer Kulisse zu bieten, die ich interessant und unterhaltsam fand. Eine Stärke des Buches liegt auch in der Vielfältigkeit der Thematik. Ich fand es spannend, mehr über Konflikte im Nahen Osten und deren Folgen zu erfahren. Politische und religiöse Hintergründe werden verwoben mit den persönlichen Erlebnissen und Schicksalen der Familienmitglieder. Auch die Aspekte Heimatlosigkeit, Sehnsucht, Trauer, Liebe, Krieg, Flucht und Vermissen bereichern die Geschichte und regen zum Nachdenken an. Positiv zu erwähnen ist es, dass die Zusammenhänge der Familie Yacoub in einem Stammbaum dargestellt, was den Überblick erleichtert. Hilfreich für die Lektüre ist außerdem das Glossar. Die Aufmachung des Hardcovers finde ich toll. Die Optik gefällt mir durch ihre Sinnbildlichkeit sehr. Auch die Metapher des Titels ist sehr treffend und ansprechend, obwohl ich nicht ganz verstehe, warum man vom amerikanischen Original („Salt Houses“) abgewichen ist. Mein Fazit: „Häuser aus Sand“ von Hala Alyan ist ein in mehrfacher Hinsicht gelungener Roman, der mich überzeugen konnte. Ich empfehle die Lektüre vor allem denjenigen wärmstens, die einmal eine etwas andere Familiengeschichte lesen möchten.