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SternchenBlau

Posted on 18.7.2020

Hochspannende Fakten, Hintergründe und Zusammenhänge! Ich denke, wir müssten uns alle mehr mit China auseinandersetzen und mit diesem Buch habe ich das endlich einmal getan. Beim Lesen habe ich viel gelernt und ich musste, seit ich es vor knapp 3 Wochen zu Ende gelesen haben, häufiger wieder daran denken. Aber warum vergebe ich dann dennoch nur 2,5 Sterne? So spannend ich viele Informationen und Hintergründe fand, so viele Probleme hatte ich stilistisch mit dem Buch. Und vieles könnte auch besser erklärt sein. Ich bringe nur ein Beispiele, die für mich symptomatisch für den Stil sind, der mir nicht wirklich zugesagt hat: „Keine Stadt in China hat mehr Immigranten als Shenzhen. Rund 95 Prozent der Einwohner stammen nicht aus Shenzhen. Sie kamen alle hierher als Fremde, sie haben keine Netzwerke, sie sind auf andere angewiesen. Das erzeugt ein sehr offenes Klima. Man hilft sich gegenseitig. Das einzige Verbindende ist die Sprache – Mandarin. Irgendwie paradox: Mitten auf kantonesischem Gebiet liegt eine Millionenstadt, in der fast nur Mandarin gesprochen wird.“ Liegt das aber nun daran, dass das die Stadt eben so viele Immigrant:innen hat? Aber kommen die nicht zum Teil auch aus der Bay-Area dort? Woher soll ich das denn wissen? Und warum sagt der Autor das auch später nirgends mehr. Diese Frage bleibt das ganze Buch über eine Leerstelle und es gab einige solcher Leerstellen. Anders als bei einem Roman sehe ich mich aber nicht als Rezipientin in der Pflicht, Leerstellen zu füllen. Es gibt am Anfang eine recht uninspirierte Karte, die die verschiedenen Stadtgebiete von Shenzhen zeigt, ohne die dort vorherrschenden Cluster oder so zu benennen – was ja einen echten Mehrwert geliefert hätte. Im Buch hatte ich nie das Gefühl, dass ich diese Karte brauchen würde. Eine Karte der Bay Area hätte hingegen gerade in den späteren Kapiteln geholfen. Ungelogen wird in einem Halbsatz mal erklärt, dass Mark Zuckerberg der Facebook-Gründer sei, viele andere Dinge fehlen dann aber. Die Gesprächspartner:innen (meist Männer), mit denen sich Wolfgang Hirn gefühlt immer in einem Café der vielen Bürotürme oder in deren Büros trifft, oder die zitierten Menschen dienen als Stichwortgeber, mit deren Zitaten der Autor seine Darstellung untermauert. Das mag ja in einem Zeitschriften-Artikel noch angehen, aber irgendwie empfand ich dies auf die Länge des Buches irgendwie respektlos. Die Menschen bekommen für mich so nicht wirklich ein Gesicht. Gleichzeitig feiert Wolfgang Hirn beständig die „Macher“-Mentalität (sic!) der Stadt und der Leute dort ab. Gendern ist übrigens Fehlanzeige im Buch und ich hätte auch gerne mehr über Macherinnen gelesen). Funktion vor Mensch, so kommt mir das Buch vor. Dass Hirn viel für das Manager-Magazin schreibt, erklärt für mich irgendwie vieles. Und wie sich das für Europa adaptieren ließe, da bleibt Hirn auch sehr wage. „Wir wissen, dass wir keine Demokratie sind, aber vor 50 Jahren sind die Leute hier noch verhungert“, diesen Satz hat ein Freund mitgebracht, als er letzte Jahr in China war. Solche Einsichten fehlen hier für mich aber völlig.Wir müssen nicht immer detailliert über Menschenrecht reden, wenn es um China geht. Aber das es hier so komplett fehlt, stört mich ebenso, wie dass ich hier eben auch nur einen europäischen, weißen und sehr wirtschaftsliberalen Blick auf China serviert bekomme. Fazit Die Bewertung fällt mir extra schwer. Die Hintergründe sind spannend und ich habe viel gelernt. Aber ich hätte das Buch echt einige Male in die Ecke pfeffern können. 2,5 Sterne, ich hatte erst überlegt aufzurunden, aber ich habe mich dann mehrfach auch echt lauthals über das Buch geärgert.

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