Gabriele
„Man muss den Herbst erreicht haben, um zu erkennen, wie wunderbar der Frühling sich anfühlt“, ist Thomas Gottschalks Erkenntnis nach knapp 70 Lebensjahren. Nachdem sein Lebensweg „in der letzten Etappe doch noch ein paar überraschende Wendungen genommen“ hat, ergänzte er seine Autobiografie, die er zum 65. Geburtstag veröffentlichte, mit neuen Weisheiten in 20 Kapiteln. Die beginnen ebenso wie im ersten Buch mit Songtiteln, allerdings fehlen hier die untermalenden Fotos. Schrieb er zum Ende des ersten Buchs noch, dass er gut reden kann, „denn von Schicksalsschlägen bin ich weitgehend verschont geblieben“, bekennt er nun, dass ihm inzwischen das berufliche und private Leben „um die Ohren geflogen“ sei. Nicht nur gesundheitliche Probleme führten zu der Erkenntnis „Das Alter erwischt uns nicht da, wo wir es feierlich in Empfang zu nehmen gedenken, sondern zu einem Zeitpunkt, der uns gar nicht in die Planung passt“ (Seite 25) . Der ehemals beliebte Entertainer macht sich in diesem Buch Gedanken über die Gleichberechtigung, die in seiner Kindheit noch anders aussah: „Der weibliche Normalfall war die brave Hausmutter, die sich um Kinder und Küche kümmerte, ohne dabei einen besonders unglücklichen Eindruck zu machen“ (Seite 39). In gewohnt schnodderigem Tonfall erzählt er vom Markt der Eitelkeiten, fragt sich, was Heimat ist und wo er die seine ansiedeln kann, nachdem er als Weltbürger überall und nirgends zu Hause war. Er denkt über Familie und Religion nach, ebenso über die heutige Schnelllebigkeit und wie sich die Welt im Zuge des Internets verändert hat. Das alles sind Themen, die einen umtreiben, je weiter es dem Ende entgegengeht. Soweit so gut. Allerdings kam es mir beim Lesen immer mehr so vor, als würde sich sein Witz in Galgenhumor verwandeln. Seine nicht zu verachtenden Verluste (zweimal ein gerissener Quadrizeps im Oberschenkel, der Brand seiner Mühle in Malibu und die getrennten Wege nach vierzig Jahren Ehe) machten aus seinem Esprit ein Jammern auf hohem Niveau. Vor allem die Seiten, in denen er von Geld schrieb, gingen mir auf die Nerven. Zwar lässt sich das Buch immer noch gut lesen, aber die Lebensfreude, die mich im ersten Buch noch mitgerissen hat, verlor sich im Laufe der Seiten – ebenso wie das Gefühl der ewigen Jugend. Naja, noch weiß ich nicht, wie sehr ich mich in zwei Jahren verändere, aber den Thommy aus meiner Erinnerung mochte ich lieber.