Profilbild von thepowerofpages

thepowerofpages

Posted on 9.7.2020

Stefan Irimescu ist ein angesehener Journalist im kommunistischen Rumänien. Alle waren stets zufrieden mit seiner Arbeit, doch Stefan beginnt sich die Frage zu stellen, ob alles tatsächlich richtig ist, was er tut. Als er eines Tages verprügelt von Raluca, der Frau eines angesehenen Parteisekretärs, auf einer Baustelle gefunden wird, nimmt die Geschichte ihren Lauf und und sein Leben wird nie wieder das Gleiche sein.  Das Cover finde ich sehr ansprechend. Der Mann strahlt Entschlossenheit aus, der hochgestellte Kragen lässt auf Vorsicht schließen. Beides Eigenschaften, die Stefan Irimescu auszeichnen oder ihm zum Verhängnis werden könnten.  Normalerweise meide ich Bücher mit politischen Themen, da sich mich schnell langweilen und oft zu langatmig sind, aufgrund ihrer facettenarmen Darstellung. Dieses Buch hier, sollte mich eines besseren belehren.  Der Schreibstil hat mir von Anfang an gefallen. Das Buch ließt sich schon relativ anspruchsvoll und man muss ständig konzentriert bleiben, um nichts von der Handlung zu verpassen. Das finde ich aber gar nicht schlecht und auch nicht anstrengend, denn die Thematik ist äußerst interessant dargestellt.  Man merkt deutlich, dass sich der Autor viel Mühe gegeben hat auch scheinbar unwichtige Details hervorzuheben und, dass er ausgezeichnete Arbeit bei der Recherche geleistet hat.  Was mich persönlich ein wenig gestört hat, waren die vielen Namen. Man ist schnell durcheinander geraten und für jemanden, der mit der rumänischen Sprache nicht so vertraut ist, könnten sie sicherlich ein gewisses Hindernis darstellen.  Schön fand ich allerdings die zahlreichen Einschübe auf rumänisch, die dann anschließend übersetzt wurden, das hat das Buch für mich sehr authentisch gemacht.  Die Hauptpersonen sind auch gut getroffen. Stefan als der eiserne Rebell, der nicht einmal vor der Frau eines Parteisekretärs zurückschreckt. Hier und da fand ich ihn ein wenig zu naiv und blauäugig, sodass ich die Augen über seine Unvorsichtigkeit verdrehen musste. Dennoch bewundere ich seinen Willen im Land etwas zu ändern und sich gegen das System zu stellen. Raluca dagegen eine Frau, die versucht sich eine Karriere unabhängig von ihrem Mann Ilie aufzubauen und dafür verspottet wird. Auch sie erschien mir hier und da ein wenig zu hilflos und zerstreut, das passte aber ganz gut zu ihrer Rolle.  An manchen Punkten ging mir die Geschichte ein wenig zu schnell, da hätte ich gerne ein wenig mehr Hintergrundinformationen schön gefunden und an anderen war mir die Geschichte ein wenig zu vorhersehbar, aber in einer so undurchsichtigen Zeit war das mit Sicherheit von Vorteil.  Besonders gut gelungen finde ich, dass die Hauptpersonen nicht als die klassischen Romanhelden dargestellt werden, denen alles auf Anhieb gelingt und die nie einen Rückschlag erleiden müssen. Vor diesem Hintergrund gefällt mir besonders das Ende, aber hier möchte ich nicht zu weit vorgreifen.  Andrei Mihailescu schafft es mit seinem Roman dem Leser einen fantastischen, berührenden Einblick in eine Zeit zu liefern, die, wie ich finde, häufig zu schnell unter den Teppich gekehrt wird.  Fazit:  "Die Teilnahme ist freiwillig, aber obligatorisch." Dieser Satz hat sich in mein Gedächtnis gebrannt und beschreibt für mich das Buch, ja das ganze Regime in einem Satz.  "Guter Mann im Mittelfeld" ist kein staubtrockener Polit- Roman, an dem man wochenlang zu kauen hat, sondern eine erschreckend authentische Darstellung einer furchtbaren Zeit. Eine ganz klare Leseempfehlung.

zurück nach oben