salzbrand
Die Geschichte eines Waisenkindes in einer grausamen Welt. Zuerst: Was war gut Bevor wir Negatives beleuchten, erst einmal die guten Seiten. Die Geschichte ist gut und gut erzählt. Schön auch die Ernüchterung über die Realität von Kampf und Krieg, wo das doch eigentlich das zuerst als heroisch empfundene Ziel der Protagonistin ist. Ebenfalls erwähnenswert ist der asiatische Touch, der die Fantasy-Welt mal mit ein wenig neuen Ideen und Hintergründen bereichert. Und da endet es auch schon: Was gäbe es am Buch auszusetzen? Die Figuren und die Welt sind eher so minder realistisch und teilweise unglaublich schlecht gemacht, Klischees fressen sich fast gegenseitig auf, weil zu wenig Platz für so viele ist. Gerade die Protagonistin ist, ohne zu spoilern, so unwahrscheinlich gut, hart, und erfolgreich, dass es fast schon langweilig wird (das bisschen Misserfolgt hie und da fällt kaum ins Gewicht). Sie durchläuft die in der Fantasy-Literatur mittlerweile obligatorisch seitenweise ausgeschlachtete Ausbildung des Hauptcharakters mit Opfern, die von einem jungen Menschen auf keinen Fall zu erwarten wären. "Sie ist halt besonders", mag man mir entgegenhalten. Ja, aber unmenschlich sollte der (menschliche) Charakter nun auch nicht sein. Auch nicht in Fantasy. Und so gelingt ihr alles mit aus amerikanischen Anwaltserien bekannten Strategien: Geschlafen wird nicht, Schmerz ist total easy zu ertragen, Entscheidungen mit lebenslangen Folgen: Warum nicht? Ein zweiter (menschlicher) Gedanke? Nein. Sozialleben? Was ist das? From rags to riches. Das alles ist fast eine Parodie auf den mittlerweile zu Grabe getragenen amerikanischen Traum, wenn man nicht das Gefühl hätte, dass es eben keine Parodie sein soll. Und die fantastische Welt? Ja, der asiatische Touch bringt da wirklich frischen Wind. Aber hätte man sich nicht etwas mehr Mühe geben können? Das klingt hart, aber ich darf das an ein paar Beispielen illustrieren: Sich von realen Kulturen und Dingen inspirieren zu lassen ist voll ok und auch wichtig (In diesem Roman sehr viel Kung Fu, die Herrschaftsstruktur der "Heimatnation" der Protagonistin extrem mittelalterliches Japan). Aber die Illusion einer fantastischen Welt durch grobe Schnitzer wie "Wudang-Berge" oder "Sunzis Kunst des Krieges" (o. s. ä.) zu versauen ist schon ein Kunststück. Was ist das Problem dabei? Die Berge und der gute Sunzi mit seinem Buch existieren genauso in unserer realen Welt. Es wurde hier nicht einmal versucht, die Namen zu ändern, und jedem, der sich mit vormodernem China und Japan oder auch nur Kung Fu - Streifen ein wenig auseinandersetzt, kennt diese Namen. Speaking of Kung Fu - Streifen: Die Gruppe, zu der die Protagonistin im Laufe der Geschichte stößt, ist so original in einem Haufen verdammter Kung-Fu-Filme zu finden. Ultra- ... ach was sag ich! Megatonnen-Klischee. Mein innerer Korintenkacker (ich gebe das Heulen auf hohem Niveau zu) fragt sich jetzt, soll das doch ein historischer Roman sein? Oder Urban Fantasy? Nein, dafür sind die realen Orte in einem viel zu fantastischen Land, die Namen der Kulturen nicht historisch und die Möglichkeiten von Magie zu High Fantasy. Könnte der Roman mit der Überblendung der Fantasy und der Realität arbeiten? Mit Klischees spielen? Verzeihung, aber diesen Eindruck an Kunst erweckt der Roman nicht ... Stört das die Geschichte? Eigentlich nicht. Wem solche Dinge egal sind: Feuer frei, gutes Buch! Für mich ist das eher minder gutes Handwerk als gute Literatur.