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„...Das Neueste erfuhr man immer von Salvatore zuerst, dem der Ruf anhaftete, Nachrichten schneller als das Internet auf der Insel zu verbreiten...“ Seit zwei Jahren ist Lucia zurück auf der Insel Capri. Sie kümmert sich als Haushälterin um Contessa Farnese, die den Garten ihres Vaters hütet wie ihren Augapfel. Nach dem Tode des Vaters hat sie keine guten Erfahrungen gemacht. Das Kleinod weckt Begehrlichkeiten. Doch Lucia trägt ebenfalls ein Geheimnis mit sich. Sie hofft, dass es zutage tritt. Nur wenige wissen davon. Heute ist sie mit ihrer blauen Vespa auf den Markt. Dort wendet sie sich zunächst den Stand von Salvatore zu. Zu seinem Produkten drückt er ihr meist noch ein Rezept in die Hand. Dann sieht sie aus den Augenwinkel einen Mann. Kann das sein? Das wäre das Letzte, was sie sich wünscht. Dann würden die Worte der Contessa wahr: „...Auf Capri haben die Bäume Ohren und die Steine Augen. Nichts bleibt auf dieser Insel verborgen...“ Währenddessen erfährt in Heidelberg Martin Hubscheid, dass die Forschungsgelder für seine Habilitation bewilligt wurden. Martin beschäftigt sich mit Schmetterlingen. Einer hat es ihm besonders angetan. Seine Ausbreitung gen Norden ist Inhalt seiner Habilitationsschrift. Die Forschung führt ihn auf die Insel Capri. Die Autorin hat einen sommerlich leichten und trotzdem inhaltsreichen Roman geschrieben. Die beiden Protagonisten werden gut charakterisiert. Lucia ist ein gebranntes Kind. Männer sind für sie kein Thema. Dabei ist sie aufgeschlossen, geht auf die Menschen zu und kann, wenn es nötig ist, gehörig aus der Haut fahren. Martin ist zurückhaltend. Gefühle in der Öffentlichkeit sind nicht sein Ding. In der Beziehung zu seiner Partnerin Anja ist sie die forschere, die die Regeln vorgibt und auch mal Grenzen überschreitet. Damit geht er pragmatisch um. Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Besonders ausdrucksvoll und mit treffenden Metaphern wird die Landschaft der Insel wiedergegeben. „...Zerklüftete helle Felsen in der Ferne, die klare blaue Horizontlinie des Meeres, die üppige grüne Vegetation, große Kakteen, die sich ihm entgegen reckten, Eidechsen und Feuersalamander, die sich auf dem kleinen Steinmäuerchen am Weg sonnten, Kräuter, Blumen, wilde Feigenbäume – Capri war wunderschön...“ Martin ist der erste Gast in Salvatores neu eingerichteter Ferienwohnung. Er wird gleich wie ein Familienmitglied behandelt. Mit dieser italienischen Leichtigkeit tut er sich schwer, doch Salvatore und seine Frau lassen keinen Abstand aufkommen. Und an seinen Kochkünsten kommt erst recht niemand vorbei. „...Das ist normale Essenszeit für uns Italiener. Wenn ihr Deutschen unsere Ristoranti verlassen habt, dann rücken wir erst an...“ Während Lucia mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird, wird für die Contessa ein Problem immer drängender. Sie ist weit über 80 Jahre. Was soll aus dem Erbe ihres Vaters werden? Welche Möglichkeit gibt es, den Garten zu erhalten, der viele biologische Kostbarkeiten beinhaltet? Außerdem wird ihr Geld knapp. Martin kommt für sie wie gerufen. Zum einen kann sie sich mit ihm wieder auf wissenschaftlicher Grundlage unterhalten, zum anderen hofft sie, dass er eine Lösung für ihr Problem hat. Und dann ist Martin hin und weg, als er Lucia das erste Mal sieht. Dabei hat sie ihn mit heftigen Worten des Hofes verwiesen. Doch Treue ist für ihn ein Wert, an dem er nicht rütteln lässt, und in Heidelberg wartet Anja. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass ich eine Menge über Pflanzen und ihre Besonderheiten gelernt habe. Ich habe Martin im übertragenen Sinne gut zugehört, wenn er im Gespräch über Bestäubungssymbiose und die Bedeutung von Schmetterlingen für das Ökosystem gesprochen hat. Kursiv eingebunden in die Handlung ist ein Blick in die Vergangenheit. Er beschreibt das Leben der Contessa, die Forschungsreise ihres Vaters nach Sumatra und die Entstehung des Garten aus Setzlinge, die er aus aller Welt mitgebracht und kultiviert hat. Nicht nur zu Beginn jedes Kapitels auch innerhalb des Textes flattert oft ein fein stilisierter Schmetterling durch das Buch. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist eine gelungene Komposition aus Ernst und Leichtigkeit.