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Posted on 6.7.2020

Hulda Gold ist eine taffe Hebamme, alleinstehend und lebt mitten in den 20ern in Berlin. Der erste Weltkrieg ist vorbei, die Nachwehen dauern aber noch an. Armut ist allgegenwärtig und auch Huldas Mütter leben mehrheitlich in finanziell schwierigen Verhältnissen. Als wäre die Armut nicht genug, ist Berlin ein gefährliches Pflaster... Erwartet habe ich die Geschichte einer Hebamme, die Einblicke in die damaligen Bedingungen gewährt. Der Leser findet das auch vor, aber noch vieles mehr, denn ein Mordfall direkt zu Beginn des Buches beschäftigt die junge Frau sehr nachhaltig. Zunächst lernt man die Hebamme und ihr Umfeld besser kennen. Hulda liebt ihren Job als Hebamme, obwohl ihre Arbeit sie mitten in Armutsviertel führt und nicht selten mit schwierigen Schicksalen konfrontiert wird. Besonders bewegt sie das Schicksal der Nachbarin einer ihrer Wöchnerin. Rita, eine Frau die als Krankenschwester über viele Jahre gute Arbeit leistete, ist nach dem Tod ihrer Familie ins Nichts abgerutscht. Zuletzt hat Rita als Prostituierte gearbeitet und wurde kürzlich tot aufgefunden. Selbstmord oder doch ein Mord? Die Ermittlungen scheinen Hulda, die sich auch mal gerne ins Berliner Nachtleben stürzt, bestenfalls halbherzig geführt und so beginnt sie ihre eigenen Ermittlungen und gerät nicht nur einmal in eine brenzlige Situation…aber die junge Frau mit Ecken und Kanten bleibt hartnäckig. Der Schreibstil ist angenehm, flüssig zu lesen und auch die authentischen Protagonisten, so verschieden sie sind, haben mit ihrem Facettenreichtum überzeugt. Der Zeitgeist wird anschaulich präsentiert und ganz nebenbei zeigt die Autorin die Unsicherheiten und Ängste jener Zeiten auf. Das Aufbäumen der Rechten wird immer wieder kurz thematisiert. Hulda scheint die Brisanz ob ihres politischen Desinteresses gar nicht so richtig wahrzunehmen. Viel lieber beschäftigt sie sich auf Mikroebene um die Menschen, statt sich um das ganz große Ganze den Kopf zu zerbrechen. Das mag naiv wirken, aber aus ihrer Sicht es ist nachvollziehbar. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und dann gibt es da noch das Tagebuch von Rita, welches sie trotz ihres Todes greifbar werden lässt. Die Auflösung des Falles war weitgehend spannend und gelungen. So hatte ich es nicht unbedingt erwartet, war aber in sich stimmig. Zwischendurch gab es trotzdem immer wieder mal manche Länge, vor allem das Liebeswirrwarr hat mich nicht so begeistern können, aber die Sequenzen waren noch recht überschaubar, sodass sich die Geschichte hauptsächlich um den Kriminalfall und die Tätigkeit als Hebamme, inklusive Sozialkritik, dreht. Ein unterhaltsamer und kurzweiliger Genremix, der mich überzeugt hat, daher freue ich mich schon sehr auf den nächsten Teil.

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