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Lenislesestunden

Posted on 5.7.2020

Es ist soweit: ich habe zum ersten Mal in einem meiner Bücher etwas mit Textmarker markiert! Denn: Ich bin erstens fest davon überzeugt, dass ich "Briefe an einen jungen Dichter" den Rest meines Lebens behalten werde und zweitens ganz sicher, dass ich dieses Buch immer wieder zur Hand nehmen werde, um meine liebsten Passagen noch einmal zu lesen. Zwischen 1903 und 1908 gibt Rainer Maria Rilke in mehreren Briefen seine Gedanken und Ratschläge zum Künstler-Dasein, aber auch zu generellen Fragen und Problemen des Lebens weiter. Adressat ist Franz Xaver Kappus, der eine Ausbildung zum Offizier durchläuft, obwohl sein Herz eigentlich für die Dichtung schlägt, und der sich hilfesuchend an Rilke gewandt hat. Zum Zeitpunkt des Briefwechsels war Rilke selbst erst Ende 20, doch aus seinen Zeilen spricht so viel Klugheit, Sensibilität und Gedankenschwere, dass man nicht anders kann, als inspiriert zu sein. Nicht immer war diese Lektüre leicht, viele der Fragen, die Rilke an Kappus richtet, tun weh und wühlten mich sehr auf. Doch trotzdem blieb die Grundaussage für mich lebensbejahend und ich habe mich sehr bestärkt und verstanden gefühlt - fast so, als würde er mich persönlich ansprechen. Fazit: Für mich ein ganz klarer Fall von "Sollte eigentlich jeder, der Literatur mag, gelesen haben". Und weil ich leider nicht annähernd so eloquent bin wie Rilke, lasse ich zum Abschluss ihn sprechen: "Es ist immer das, was ich schon gesagt habe: immer der Wunsch, Sie möchten Geduld genug in sich finden, zu ertragen, und Einfalt genug, zu glauben; Sie möchten mehr und mehr Vertrauen gewinnen zu dem, was schwer ist, und zu Ihrer Einsamkeit unter den anderen. Und im übrigen lassen Sie sich das Leben geschehen. Glauben Sie mir, das Leben hat recht, auf alle Fälle."

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