Buchstabenfestival
Was habe ich mit Chani und auch Baruch mitgefiebert. Ich habe mir tatsächlich gewünscht, dass sie einen Weg finden, ihren Bedürfnissen in ihrem Tempo nachgehen zu können. Das Buch hat mich eingefangen und mir eine Tür zu einem Leben geöffnet, welches ich so noch nicht so oft gesehen und gelesen und gehört habe. Manches war befremdlich, weil man sich nicht vorstellen kann, dass in dieser digitalisierten, globalisierten Welt ein Leben ohne Fernsehen, ohne Internet und ohne großen Kontakt nach draußen gibt. Chani und Baruch leben fast isoliert von der lauten bunten Welt. Umgeben von dunklen Farben, gefühlt mit wenig Lebensfreude und vielen vielen Regeln und Vorschriften. Beide kamen mir so hilflos, so verängstigt und lebensfremd vor. Man wollte sie bei der Hand nehmen und ihnen die bunten Seiten des Lebens zeigen und vor allem ihre vielen Fragen (besonders von Chani) beantworten und ihr die Angst nehmen. Doch sie sind eingeschlossen in der religiösen Gemeinschaft, ihren Familien und Traditionen und sie wagen es kaum auszubrechen. Chani ist die Mutigere und versucht sich Freiräume zu erkämpfen, aber oft kommt sie nicht weit oder muss mit viel Widerstand rechnen. Die Autorin lässt bei allen dunklen und auch traurigen Situationen auch den Humor eine wichtige Rolle spielen. Ich musste bei den Kapiteln mit der Heiratsvermittlerin schon etwas lachen. Es gibt immer wieder Momente in der Geschichte, in der der Humor alles etwas auflockert, aber nicht ins Lächerliche zieht. Wer den Film "Unorthodox" gesehen hat, wird schnell in die Geschichte eintauchen können. Sie ist voller jüdischer und religiöser Begrifflichkeiten, die dem Leser manchmal etwas ausbremsen könnten. Die Autorin hat ein Wörterverzeichnis am Ende des Buches eingefügt, welches man vielleicht vor der Lektüre lesen sollte, um ein Gefühl für die Geschichte zu bekommen. Aus meiner Sicht sollte man den Film vor dem Buch gesehen haben, dadurch wird man sich an vieles wieder erinnern und besser nachvollziehen können. Beides kann ich empfehlen, weil sowohl der Film als auch das Buch (es ist jedoch nicht das Buch zum Film!) sind sehens- bzw. lesenswert.