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mabuerele

Posted on 26.6.2020

„...Wie dem auch sei, ich werde diesen Ball veranstalten und du wirst mit jedem einzelnen Freier sprechen. Ich lasse dir die Wahl. Wähle weise, meine Tochter...“ König Josef herrscht seit vielen Jahren über Nava. Dem Volk geht es gut, der König wird geachtet. Doch er weiß, dass seine Zeit begrenzt ist. Bei seiner einzigen Tochter Alina hat er nach dem Tod der Mutter die Zügel sehr locker gelassen. Dadurch hat sie sich zu einer arroganten und selbstsüchtigen jungen Frau entwickelt, der nur das Äußerliche wichtig ist. Um das Reich aber regieren zu können, braucht sie einen Gemahl an ihrer Seite. Die obigen Worte ihres Vaters hat sie sich leider nicht zu Herzen genommen. Sie beleidigt die Freier und lehnt sie der Reihe nach ab. Da schwört der Vater, sie mit dem ersten Mann zu verheiraten, der an die Pforte klopft. Es ist der Spielmann Thore. Die Autorin hat sich in weiten Zügen an die Vorgabe des Märchen gehalten. Dabei legt sie den Schwerpunkt auf Alinas Wandlung. Dort hat sie die Geschichte phantasievoll ergänzt und ausgeschmückt. Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Gerade in den gut ausgearbeiteten Gesprächen zwischen Josef und seiner Tochter, aber auch in der Unterhaltung es Königs mit Balduin, der ihn mehr Begleiter und Freund als Diener ist, wird die aktuelle Situation klar gekennzeichnet. Sehr gut gefallen hat mir das Lied, mit dem sich Thore beim König vorgestellt hat. Es bringt Alinas Charakter und ihr Auftreten zu dieser Zeit genau auf den Punkt. Alinas Abschied vom Vaterhaus fühlt sich so an: „...Wehmut erfüllte sie und Angst. Sie befand sich auf den Weg ins Ungewisse mit einem Mann, den sie nicht kannte, in eine Welt, die ihr völlig unbekannt war. Die Welt des gemeinen Volkes...“ Schon auf den Weg zu Thores Hütte beginnt für Alina die Schule des Lebens. Der junge Mann ist konsequent. Er macht ihr klar, was die Zukunft für sie bereit hält. Sie verabscheut ihn, muss aber schnell und schmerzhaft erkennen, wie naiv und weltfremd sie ist. Hinzu kommt, dass sich Thore über seine eigene Vergangenheit ausschweigt. Wie schon zu Beginn legt die Autorin hier erneut Wert auf Gespräche zwischen den Protagonisten, die mir Einblick in ihre Gedankenwelt vermitteln. Es lässt Alina nicht kalt, dass sie von einfachen Menschen Zuwendung erfährt. Sie muss es außerdem lernen, mit Ablehnung zurecht zu kommen, wenn sie Anforderungen nicht erfüllt. Gleichzeitig wandelt sich ihr Blick auf Thore. Eine Frage, die ihr Thore am Anfang stellt, wird wiederholt aufgeworfen: „...Wer bist du?...“ Anfangs kann Alina damit nichts anfangen. Später wird ihr klar, dass sie mehr ist als ein schönes Gesicht im Spiegel. Innere Werte, eigene Fähigkeiten und die Idee, anderen Gutes zu tun, gewinnen an Bedeutung. Gerade als Alina auch innerlich in ihrem neuen Leben angekommen ist, warten neue Kämpfe auf sie. Die Autorin übereilt nichts. Die Veränderungen sind nachvollziehbar und ergeben sich logisch. Die märchenhafte Grundlage ermöglicht die eine oder andere Überhöhung. Die erotischen Szenen werden einfühlsam dargestellt. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Idee wurde gekonnt umgesetzt. Ich bin auf weitere Märchen gespannt.

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