egokomma
Ich will ehrlich sein: Als ich anfing, dieses Buch zu lesen, konnte ich uns Zweien - also mir und dem Buch - kaum Chancen auf ein Happy End, geschweige denn eine tiefergehende Beziehung ausrechnen. Der Schreibstil ist, sagen wir mal vorsichtig, hölzern-unsympathisch. Ebenso empfand ich die Hauptfigur Ruth, Physikerin, etwa Mitte 30 und auf dem Weg zur Proffessur. Noch ehrlicher: Ich las nur weiter, weil auch ich eine Physikerin dieses Namens und dieses Alters kenne (die aber sehr sympathisch ist!), und ich mich als Wissenschaftlerin geschmeichelt fühlte, dass ich endlich mal eine Identifikationsfigur geliefert bekomme. Glücklicherweise, denn Achtung: Dieses Ding ist ein „Grower“. Die Bezeichnung „Roman“ ist meiner Meinung nach Unglücklich gewählt. Es erinnert mehr and die klassische Novelle, die Story ist dazu an manchen Stellen im wahrsten Sinne neuartig genug, um nicht zu sagen herrlich abstrus. Die Figuren bleiben merkwürdig platt, die Erzählung wirkt wie aus einer Erinnerung an einen labyrinthischen Traum. Es geht um Verdrängung, Wegschauen, Gleichmachen, Glattbügeln, in einer Welt, die so fiktiv scheint, dass jeder und jedem klar sein muss: Das ist so gewollt. Ich schwanke noch immer zwischen „Geniestreich“ und „warum-zur-Hölle-wurde-das-für-den-Buchpreis-nominiert“. Ich nehme mal an, weil eben doch viel Spielraum für kluge Interpretationen bleibt, nicht zuletzt die Psyche der Protagonistin betreffend. Diese hat eindeutig mit deren Wahrnehmung der Ereignisse in der vermeintlichen Idylle Groß-Einland zu tun, wird aber zu wenig aufgearbeitet. Das überlässt die Autorin den LeserInnen, die etwas fragend, aber neugierig geworden das Buch zuklappen. Für Literatur-Abenteurer und Aufgeschlossene.