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Helga

Posted on 24.6.2020

Ich habe das Buch mit Vorfreude erwartet, da der Klappentext einen spannenden Einblick in ältere, archaischere Zeiten und andere Kulturen versprach. Leider erfüllten sich diese Erwartungen nicht vollständig. Die Schicksale werden sehr sachlich geschildert und man kann die Emotionen der jungen Frauen nur erahnen, denn wirklich thematisiert werden sie nicht. Und so ist oft nicht klar, ob Aminah sehr unter ihrem Schicksal leidet, ob sie traumatisiert ist und um ihr altes Leben wirklich trauert oder ob sie sich mit ihrem neuen Leben erst einmal abgefunden hat. So wirkt ihr Verlangen nach Freiheit auch weniger wie ein emotionaler Kampf um Gerechtigkeit und vielmehr wie eine Emanzipations- oder Coming-of-Age-Geschichte, obwohl natürlich das Unrecht thematisiert wird, dass Menschen sich herausnehmen, andere zu besitzen. Es wirkt dennoch so, als sei das eben das Schicksal der Besiegten und als wäre Aminah einfach auf der falschen Seite gelandet. Wurche hingegen ist von vornherein eine starke Frau, die sich gegen die gängigen Konventionen der weiblichen Rolle auflehnt. Durch sie und ihre Familie erfährt man einiges über die politischen Zustände im Ghana der damaligen Zeit, über Stammesfehden und Clans und die vorkolonialistische Politik der Europäer. Dennoch bleibt auch sie auf Distanz. Insgesamt bleibt mir das Buch zu oberflächlich. Obwohl im Internet zu erfahren ist, dass die Geschichte von Aminah auf einer Ahnin der Autorin beruht, spürt man kaum eine Verbindung zu ihr. Das Buch hat gute Ansätze, aber die Atmosphäre wird meiner Meinung nach nicht ausreichend entwickelt und über vieles wird zu schnell hinweggegangen, während die einzelnen Handlungen der beiden Frauen manchmal eher Assoziationen mit trivialer Frauenliteratur wecken. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass dieser Roman vor allem deswegen übersetzt und auf den deutschen Markt gebracht wurde, weil er europäisch-kompatibel ist. Ich hätte mir gewünscht, tiefer in diese vielversprechende Geschichte eintauchen zu dürfen und stärker von Emotionen berührt zu werden.

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