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TheUjulala

Posted on 23.6.2020

Sprachgewaltig und humorvoll mit sympathischen Charakteren, aber auch sehr berührend. Als ich neulich mit meiner Tochter im Hugendubel war, fiel mir dieses Taschenbuch in die Hände. Ich kenne Kira Gembri schon von ihren selbstpublizierten Werken und bin von ihrem Stil und ihren Geschichten sehr begeistert. Deswegen war das für mich die Gelegenheit, auch mal ein Verlagsbuch von ihr zu lesen. Also habe ich es kurzerhand eingepackt. Coverbild Alle Cover der Verlagstitel von Kira Gembri sind in der gleichen Machart. Auf einem farbigen Hintergrund sieht man die Scherenschnitte von Personen, ein Mädchen auf einer Schaukel und ein Mann vor der Silhouette einer Großstadt. Um sie herum fliegen Herbstblätter herum. Der Buchtitel ist in einer farbigen Schreibschrift quer über das Bild gelegt. Für das Cover zeichnet sich Johannes Wiebel von punchdesign aus München verantwortlich von dem ich bewusst noch keine Arbeiten kenne. Ich mag aber diese Art der Cover, sie sind schlicht, leicht und doch zeigen sie ein bisschen von dem, was uns erwartet. Handlung Jay und Lea lernen sich in der Psychiatrie kennen. Jay muss dort Sozialstunden ableisten, Lea hat sich als Patientin dort einliefern lassen. Sie leidet unter Zwangsneurosen und hätte beinahe das Leben ihres kleinen Bruders aufs Spiel gesetzt. Ihr Zählritual erschwert ihr das Leben und sie leidet unter großen Ängsten. Als Jay wegen Geldnöten dem Chefarzt ein paar Scheine vom Tisch klauen will, wird er von Lea erwischt. Auch wenn Lea freiwillig in die Klinik gegangen ist, nutzt sie die Chance und geht mit Jay einen Deal ein. Sie zieht in die Männer-WG von Jay und seinen Freunden ein. Was natürlich unter den Kumpels nicht besonders auf Begeisterung stößt, zumal sie die Bude ganz schön mit ihren Eigenheiten auf den Kopf stellt und Jay immer wieder in die Quere kommt. Jays Freunde wollen das komische Mädchen los werden. Buchlayout / Haptik Die insgesamt 336 werden in mal größere und mal kleinere Abschnitte eingeteilt. Bei jedem Kapitel wechselt die Perspektive zwischen Jay und Lea. Idee / Plot Die Handlungsidee ist schon typisch für ein Jugendbuch. Ein Mädchen mit gewissen Problemen trifft auf einen Jungen, der sie zunächst abweist und so ganz anders ist. Zunächst wirkt er auch abgebrüht und ist ein typischer bad-boy. Doch im Laufe des Buches wird klar, dass auch er eine Vergangenheit hat und selber vieles aufarbeiten müsste. Was ich aber hier hervorheben muss ist, dass Kira Gembri das Thema von Toleranz und Akzeptanz angeht. Menschen mit Zwangsneurosen haben ein psychisches Defizit, sind aber nicht geistig behindert. In vielen direkten und indirekten Momenten kommt das sehr deutlich raus. Nur weil jemand in der Psychiatrie ist, heißt das nicht, dass er geistig oder körperlich beeinträchtigt wäre. Ihre Zwangsneurosen sind eine enorme Einschränkung für Lea, und sie leidet wohl am meisten unter den Auswirkungen in ihrem Leben. Ich finde, dass die Autorin dies unheimlich gekonnt in die Geschichte eingeflochten und trotz Lovestory ist dies der druchgehende Grundtenor. Besonders interessant finde ich, dass es eigentlich nicht um Lea geht. Für mich ist Jay die eigentliche Hauptperson. Denn nicht nur Lea hat Probleme und ihm wird durch ihre Anwesenheit einiges klar. Wer therapiert hier wen? Emotionen / Protagonisten Lea beginnt tatsächlich durch das Leben in der WG über ihren Schatten zu springen obwohl sie immer wieder von ihren Zwängen heimgesucht wird. Sie erleidet zwischendurch auch immer wieder einige und teilweise auch heftige Rückfälle. Leas Gedankengänge während eines Anfalls wirken oft abstrus und verstörend, aber auch sehr beklemmend. Denn sie ist ja nicht geistig gestört, sie bekommt ja alles mit und weiß aber auch, dass sie es einfach nicht abschalten kann. Sie ist aber trotzdem ein toughes Mädchen und wirkt für mich absolut authentisch. Manchmal ist sie aber auch ein ganz schöner Sturkopf, die aber trotz Psychosen ihren Humor und Sarkasmus nicht verloren hat. Jay ist frech, nach außen hin ein ganz schöner Macho und Frauenheld. Doch mit der Zeit blickt man hinter seine coole Fassade und merkt, dass auch er von seiner Vergangenheit gebeutelt wurde – auch wenn sich bei ihm daraus keine Psychose entwickelt hat. Nur dumm, dass er sich auf kriminelle Machenschaffen eingelassen hat, die ihn nur weiter in den Schlamassel ziehen. Und im Grunde ist er ein liebevoller Junge, dem sehr viel Leid zugefügt wurde und der gemerkt hat, dass Emotionen ihn nicht weiterbringen. Handlungsaufbau / Spannungsbogen Die Handlung an sich und das Ende sind tatsächlich ein wenig vorhersehbar. Die beiden kommen irgendwie zusammen und machen eine Wandlung durch. Bis es aber dahin kommt, müssen beide einige Stolpersteine meistern. Aber es ging auch der Autorin nicht darum, aus diesen Handlungsstrang ein Geheimnis zu machen. Es geht vielmehr um die vielen kleinen Andeutungen, um die innere Erkenntnis, die beide Protagonisten durchmachen müssen. Der Ursprung von Leas und Jays Problemen wird erst mit der Zeit stückchenweise über das Buch hinweg erklärt. Und diese Vergangenheit erschwert zunehmends die Entwicklung der Liebesbeziehung. Das zieht die Spannung natürlich stetig an. Jay merkt erst spät, wie sehr er Lea braucht weil sie ihm wie ein Spiegel seiner eigenen Vergangenheit ist. "Und dann, als sie mich endlich bemerkt und den Kopf hebt, brechen die letzen Jahre einfach so von mir weg. Plötzlich bin ich wieder zehn Jahre alt, nichts als Knochen und blau verfärbte Haut, und lasse meinen Vater auf mich einprügeln. Ich habe mich so lange gegen dieses Gefühl abgeschottet, dass ich erst nach einer Weile kapiere, was es ist – Hilflosigkeit.“ Kira Gembri „Wenn du dich traust“ Seite 156 (Taschenbuch © 2017 Arena Verlag GmbH, Würzbug) Szenerie / Setting Jay und Lea leben in in der wunderschönen österreichischen Hauptstadt Wien. Da ich Wien kenne, kann ich mir die beiden da sehr gut vorstellen. Kira Gembri hat die Umgebung authentisch wiedergegeben und konnte mir alles bildhaft darstellen. Die typische Männer-WG ist mir absolut präsent und nichts wirkt überzogen. Die starken Panikattaken und zwangsneuralen Anfälle von Lea kommen unglaublich gut rüber und ich kann mir das sehr gut vorstellen und nachempfinden. Sprache / Schreibstil Absolut begeistert hat mich, wie bereits bei jedem Titel von Kira Gembri, der außerordentliche flotte, spritzige und flüssige Sprachstil. Den Perspektivenwechsel zwischen Jay und Lea aus der Ich-Perspektive im Präsens finde ich super gelungen. So bekommt man Einblick in beide Protagonisten und die unterschiedlichen Erlebnissen der Szenen. Der Leser ist nicht auf eine Sichtweise fokussiert sondern kann sich in die Emotionen Beider einfühlen. Fazit: Handlung zwar vorhersehbar, dennoch spritzig und sprachgewaltige Geschichte mit sympathischen Charakteren. Humorvoll aber auch sehr berührend. Ich bin absolut begeistert.

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