SternchenBlau
Must-Read Es ist auch ein weißes Privileg, dass wir uns mit dem Thema Rassismus nicht unbedingt beschäftigen MÜSSEN. Ich nehme mich da nicht aus: Von diesem Buch weiß ich schon länger, gelesen habe ich es aber erst jetzt, wo die #BlackLivesMatter-Bewegung aufgrund der Ermordung von George Floyd wieder sichtbarer geworden ist. „Wir sind keine Terroristen. Ich bin keine Terroristin. Ich bin Patrisse Marie Khan-Cullors Brignac. Ich bin eine Überlebende. Ich bin Sternenstaub.“ Dieses Buch von Patrisse Khan-Cullors, einer Mitbegründerin von #BlackLivesMatters und Erfinderin des Hashtags, ist nicht nur wichtig, sondern auch toll geschrieben: Eindringlich, emotional, wie ein Roman, stellenweise auch wie Lyrik. Sachbücher und gerade Autobiografien (was das Buch stellenweise ist) lese ich meist recht langsam, durch #BlackLivesMatter bin ich innerhalb eines Tages regelrecht geflogen, weil Khan-Cullors mit so viel Leidenschaft für Gerechtigkeit schreibt. Sie nimmt den Ausgangspunkt bei sich und ihrer Familie und ich habe mich oft gefragt, wie sie es geschafft hat, sich nicht unterkriegen zu lassen, von diesem strukturellen Rassismus, dem sie tagtäglich ab Geburt ausgesetzt war: „Niemand hat erwartet, dass ich überlebe, und man hat mich auch nicht dazu ermutigt. Von meinen Brüdern und meiner kleinen Schwester, meiner Familie – der, in die ich geboren wurde, und der, die ich gegründet habe – erwartete niemand, dass sie überlebte.“ Polizei und Behörden holen gegen Schwarze Menschen die ganz großen Geschütze heraus. Verbal – der Originaltitel lautet : „When They Call You a Terrorist“ –, aber auch ganz konkret mit Abermillionen an Waffenetat, der im Kampf gegen „War on Drugs“ vor allem gegen die Schwarze und Latino Bevölkerung in armen Stadtteilen aufgefahren wurde. Khan-Cullors schildert ihre Erlebnisse, die ihrer Freund:innen und Familie, und weitet mehr und mehr den Blick, wo die strukturellen, himmelschreienden Ungerechtigkeiten liegen. Sie kämpft mehr und mehr, auch, wenn sie viele Kämpfe, wie um einen gerechten Prozess für ihren psychisch kranken Bruder, oder eine illegale Durchsuchung ihres Hauses nicht gewinnen kann. Das Empowerment ihrer Community liegt Khan-Cullors dabei immer am Herzen, aber auch als Weiße reißt sie mich mit für diesen wichtigen Kampf für Gerechtigkeit. Sie prangert die neoliberale Tendenz an, dass die Schuld fürs Scheitern nur beim Individuum gesucht wird. Der Rassismus verschärft das Problem: „Doch frage ich mich auch, nachdem ich im Laufe der Jahre viele solcher Treffen (Anm.: des 12-Stufen-Programms) besucht und später auch selbst als Therapeutin gearbeitet habe: Warum macht man nur den Einzelnen verantwortlich? Wo war die Unterstützung, die diese Männer gebraucht hätten? Sie sprachen von geplatzten Träumen, Arbeitslosigkeit, dem Gefühl, von aller Welt gehasst zu werden, und davon, dass die Polizei sie misshandelt hat.“ Grandios ist auch, wie Khan-Cullors als Queerer Mensch die Intersektionalität immer wieder mitdenkt und auch die Mehrfachdiskriminierung deutlich macht. Ab und an war ich ihrer persönlichen Zeitleiste ein wenig verloren. Und zum Schluss wurden mir es mir zu viel Weggefährt:innen, die Khan-Cullors mit jener US-amerikanischen Überschwänglichkeit ins Rampenlicht noch erwähnt wissen wollte. Das macht sie mir als Mensch sehr sympathisch, und auch, wenn es mich etwas ermüdet hat, hat es jetzt nicht weiter gestört. Zum Glück ist in Bezug auf Gefängnisse oder auch das Gesundheitssystem in Deutschland einiges besser, das nimmt uns hierzulande aber nicht aus der Pflicht für #BlackLivesMatter einzustehen. Seit 1990 starben 160 Schwarze Menschen und PoC in öffentlichem Gewahrsam (Quelle: Death in Custody). Oury Jalloh ist nur der bekannteste Name von ihnen. Wir sind hier alle in der Pflicht. Fazit Ein Must-Read, um die aktuelle Situation in den USA und strukturellen Rassismus generell zu begreifen.