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gwyn

Posted on 21.6.2020

»Als er vor seiner Abreise gefragt wurde, was denn dort zu holen sei, antwortete er: Nichts, nichts; und das ist gerade das Schöne.« Die Geschichten und Gedichte in dem vorliegenden Band sind prima. Doch ein bisschen fühle ich mich an der Nase herumgeführt. Meer! Ich hatte Texte erwartet, wie die von Henry Beston (Das Haus am Rand der Welt) – der hier gut hineingepasst hätte. Aber die wenigsten Texte in diesem Buch – so gut sie auch sind – haben direkt etwas mit dem Meer zu tun, mit literarischen Naturbeschreibungen, Nature Writing. Marie Luise Kaschnitz, Daniel Defoes Robinson, J.W. Goethe, Homer, Thomas Mann, Ingeborg Bachmann, Christian Morgenstern, Paul Celan, fantastische Schrifsteller, gute Kurzgeschichten – nur das Meer als Thema kommt zu kurz. Die Bilder von Quint Buchholz gefallen mir gut. Doch auch sie verlieren im Pocketformat ihre Wirkung. Axel Hacke beschreibt eine lange Autofahrt zum Urlaubsort nach Sardinien, drei zapplige Kinder an Bord, sie wollen zum Meer. Eine gute Geschichte – doch das Meer kommt nicht vor. Pietro Bartolo erzählt vom Leid der Bootpeople, ein wunderbarer Text. Klar sie kommen über das Meer. Und damit ist der Bezug auch schon beendet. Wer an guter Literatur interessiert ist, dem wird dieses Buch gefallen. Wie mir. Wer aber Naturgewalt erwartet, Meeresbrise, das donnern der Wellen, der wird enttäuscht sein. So wie ich.

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