ankasgeblubber
Das alte, urige Gutshaus inmitten der Weinberge strahlt auf Mara sofort Behaglichkeit aus. Sie ist sich sicher, dass sie hier zur Ruhe kommen und dem städtischen Trubel entfliehen kann. Zusammen mit ihrer kleinen Tochter verlässt sie kurzerhand die laute Großstadt Frankfurt und zieht aufs Land. Angekommen in Naunheim bemerkt sie, wie die Leute hinter vorgehaltener Hand tuscheln. Sie reden vom „Unglückshaus“. Ist damit etwa IHR neuer Rückzugsort gemeint? Liegt es vielleicht daran, dass vor einigen Jahren eine junge Frau im direkten Umfeld des Gutshauses spurlos verschwunden ist? Mara ist Journalistin – klar, dass sie sich sofort in die Recherchen stürzt. Je mehr sie herausfindet, desto unbehaglicher fühlt sie sich. Wird sie beobachtet? Ist sie etwa nicht allein im „Unglückshaus“? Der neue Thriller von Mark Roderick, erstmals übrigens ein Standalone, klang genau nach meinem Geschmack. Ich liebe es, wenn mich Thriller auf der psychischen Ebene pieksen. Ich brauche kein Blutbad, keine actionreichen Verfolgungsjagden, keine besonders abscheulichen & perfiden Verbrechen. Solch ein leiser Thriller mit der richtigen Portionierung von Grusel- und Spannungsmomenten, im Wechsel mit Phasen zum Durchschnaufen, löst bei mir deutlich mehr aus. Genau zu diesen Büchern zählt MORBUS. Wer einen Schocker erwartet, in dem das Blut nur so spritzt und durch den man atemlos hindurchhetzt, der wird enttäuscht. Wer jedoch nach einem Thriller in leicht unheimlicher Atmosphäre, mit vielen Verdächtigen, unzähligen Fährten und dem ein oder anderen Kribbeln im Nacken sucht, der könnte hier auf ein Lesehighlight stoßen. Aber versteht mich bitte nicht falsch – auch in diesem Thriller passieren grausame Verbrechen. Diese werden beschrieben – ja, aber Mark Roderick lässt seine Leserinnen und Leser nicht „live“ dabei sein. Die etwas zarter Besaiteten unter uns brauchen also nicht mit halb-zugekniffenen Augen lesen... Auch wenn nicht an jedem Kapitelende ein Cliffhanger lauert, entwickelte sich MORBUS für mich sehr schnell zum Pageturner. Die Handlung steht nie still. Mark Roderick gönnt seinen Leserinnen und Lesern zwar die ein oder andere Verschnaufpause und lässt auch seine Protagonistin in Ruhe ihre Umzugskisten auspacken, dennoch findet er immer wieder den richtigen Punkt, an dem er neue Erkenntnisse einstreut, für Plot-Twists sorgt und neue Charaktere ins Rennen schickt, die sich alle ganz wunderbar als neue Verdächtige eignen. Mit einem großen Fragezeichen im Kopf habe ich zu Beginn versucht, die Zusammenhänge zwischen den verschiedensten Ereignissen zu finden. Das Deuten der unterschiedlichsten Hinweise und das Aufstellen von neuen Theorien hat mir besonders viel Spaß gemacht, insbesondere, da ich dieses Buch in einer dreiköpfigen Leserunde gelesen habe und der Austausch sehr intensiv, vielseitig und bereichernd war. Je näher wir dem Ende kamen, desto aufgeregter wurde ich. Einerseits aufgrund der ansteigenden Spannung, andererseits in Erwartung der Auflösung. Oftmals geht es mir nämlich so, dass ich unheimlich begeistert von einem Thriller bin, der Aufbau stimmt, der Spannungsbogen ist großartig und die Autorin bzw. der Autor weiß zu fesseln. Doch dann kommt die Auflösung, die entweder zu plump und schnell präsentiert wird oder gar total an den Haaren herbeigezogen ist, sodass eine Herleitung durch die Leserin bzw. den Leser im Vorfeld gar nicht möglich gewesen wäre. So drückte ich mir selbst die Daumen, dass ich mit Mark Rodericks Ende zufrieden sein würde – und tatsächlich! Dem Autor ist es hervorragend gelungen, alle Fäden am Ende nachvollziehbar zusammenzuführen, aber nicht nur das. Er hat auch noch mal für ordentlich Nervenkitzel und einen tollen Spannungshöhepunkt gesorgt. Am Ende blieben für mich keine Fragen offen und ich habe das Buch mit einem leicht sadistischen Grinsen zugeschlagen. Ein wirklich toller Thriller in perfekter (Grusel-)Atmosphäre – kurzweilig, unterhaltsam und spannend erzählt!