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ninchenpinchen

Posted on 19.6.2020

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, diesmal Philadelphia Diesen Roman von Liz Moore wollte ich unbedingt haben und lesen. Im Nachhinein kann ich gar nicht mehr so genau sagen – warum? Auf jeden Fall wurde ich nicht enttäuscht. Long Bright River – gemeint ist damit hier der Delaware River – liest sich flüssig, gleichbleibend spannend und man bleibt am Ball und kann sich auch auf einige Überraschungen gefasst machen. Ich würde diesen Roman dennoch eher thematisch als Familiengeschichte einordnen, obwohl die Protagonistin Mickey bei der Polizei ist, im Streifendienst, und es auch etliche Leichen gibt. Die einzelnen Kapitel wechseln sich ab zwischen „jetzt“ und „damals“. Mickey hat eine drogenabhängige jüngere Schwester, Kacey, und Kacey verschwindet eines Tages spurlos. Natürlich ist Mickey – nicht nur als Polizistin, auf ihrer Spur und versucht verzweifelt, sie zu finden. Diese Suche ist der rote Faden, an dem sich die Geschichte entlang spinnt. Bei jeder neuen Toten hofft Mickey, dass es nicht Kacey ist, die der Serienmörder erwischt hat. Denn alle Opfer sind schwer drogenabhängig und die Jagd nach dem Mörder gestaltet sich genauso schwierig, wie die Suche nach Kacey. Mickey, die Ich-Erzählerin, denkt oft über Kacey nach, warum sie so geworden ist, warum es ihr einst so bezauberndes Lachen praktisch nicht mehr gab, warum sie ständig wie weggetreten wirkte, mit glasigen Augen und geröteten Wangen. „Wenn ich sie so sah, hatte ich oft den Impuls, vor ihrem Gesicht laut in die Hände zu klatschen. Sie ganz fest zu umarmen, um diese unheimliche Dunkelheit aus ihr herauszupressen, deretwegen sie ihr Leben so vollständig betäuben wollte.“ Seite 155. Mickey hat einen kleinen Sohn, Thomas, und – seitdem der Vater, Simon, keinen Unterhalt mehr bezahlt, gibt es finanzielle Schwierigkeiten. Mickey verkauft notgedrungen ihr kleines Haus, Thomas muss aus der teuren, so geliebten Kita raus, die neue Nanny am neuen Ort ist unzuverlässig und Mickey ist ständig im Stress zwischen Dienst und Aufsichtspflicht. Zudem weiß sie nicht so recht, was sie von ihrer Vermieterin halten soll. Dabei fing alles so gut an. Simon ist auch Polizist, später Detective. Er kümmert sich in den Anfängen sehr gut um Mickey und das Kind. Beim Sex hat sie das Gefühl, dass ihre Haut strahlt, wenn Simon sie betrachtet. (Seite 184) Leider sind die guten Gefühle seinerseits nicht von Dauer und es gibt eine besonders entsetzliche Szene, die ich an dieser Stelle nicht verraten möchte. Fassungslos machten mich die so überaus realistischen Schilderungen der (meist jungen) Drogenabhängigen beiderlei Geschlechts, die überall – auch auf den Straßen – herumliegen und es die Passanten nicht interessiert, ob sie schon tot oder nur bloß ohnmächtig sind. Fazit: Wen das wirkliche Amerika interessiert mit all seinen (meist verschwiegenen) Schattenseiten, dazu in einer wirklich guten Schreibe „verpackt“, der ist hier genau richtig.

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